Saintes

Die Hauptstadt der Saintonge war zur Römerzeit eine der bedeutendsren Städte der römischen Provinz Gallien, die ja bekanntlich omnis divisa est in partes tres, quarum unum… und so weiter.

Romanes eunt domus. Sed non: Lepus Peregrinus.

Das antike Mediolanum Santonum, benannt nach dem hier ansässigen keltischen Volksstamm der Santonen, hat bis heute sichtbare Spuren hinterlassen, vor allem den Triumphbogen, der Germanicus, dem Sohn des Kaisers Tiberius, gewidmet ist und 19 n.Chr. von einem reichen Bürger gestiftet wurde…

…und das Amphitheater für einst 20.000 Zuschauer.

Ansonsten besitzt die hübsche, heute nicht mehr allzu große Stadt (25.000 Einwohner – so viele waren es auch fast schon in der Römerzeit) noch bedeutende mittelalterliche Bauten: Zum Beispiel die Kirche Saint-Eutrope, die dem Stadtheiligen geweiht ist, der hier im 2. Jh. Bischof war.

Das Grab des Heiligen, ein Sarkophag aus dem 4. Jh., befindet sich in der Krypta unter der Kirche.

Es gibt noch zwei weitere bedeutende Kirchenbauten in Saintes: Die Kathedrale St-Pierre mit einem Turm, dem man sehr deutlich ansieht, daß auf halbem Wege das Geld ausging:

Und die Abbaye aux Dames, deren Kirche zu den bedeuendsten romanischen Baudenkmälern zählt.

Und wieder Kirchenphotos untergejubelt… hihi. Zum Abschluß (des Postings – was die Reise angeht, bin ich noch in der ersten Hälfte…) aber noch einen Blick auf die Charente.

Saintonge

Dann aber heißt es Abschied nehmen von Royan. Ich sage (bewußt!) “au revoir”.

Die Tour geht weiter in Richtung Norden und führt durch die Saintonge. Die nach der größten und wichtigsten Stadt der Gegend (Saintes) benannte alte Kulturlandschaft ist leicht hügelig und vor allem landwirtschaftlich geprägt, wobei der Weinbau eine große Rolle spielt (Cognac liegt nicht allzu weit von Saintes entfernt).

Zwischendrin stehen alte Klosteranlagen, die die Geschichte der Region wesentlich mitbestimmt haben, wie die Augustiner-Abtei Sablonceaux:

La Chapelle-des-Pots war, wie der Name schon andeutet, ein Zentrum für Tonwaren (poterie = Töpferei).

Und in Saujon wird’s bunt. Bzw. rosa.

Größter Fluß der Gegend ist die Charente; hier bei Taillebourg:

Und es gibt viele romanische Dorflkirchen, aber damit habe ich Euch ja schon eingedeckt… Na ok, wenn Ihr unbedingt wollt: Hier ist noch eine im sehr typischen Baustil (Nieul-lès-Saintes):

Royan: Notre-Dame

Nach der vollständigen Zerstörung im Krieg war auch ein neuer Kichenbau notwendig. Verwirklicht wurde 1955-58 der (schließlich leicht verkleinerte) Entwurf des Architekten Guillaume Gillet, dessen Grab sich auch in der Kirche befindet.

Notre-Dame hebt sich bewußt vom Rest der neuen Stadt ab: Ein schroffer, hoch und spitz aufragender, unverputzter Sichtbetonbau auf elliptischem Grundriß.

Das wird nicht jedem gefallen (damals wie heute nicht), aber ich finde diesen Bau großartig. In Frankreich gibt es nur wenig Vergleichbares; die Kathedrale von Le Havre mit ihrer einzigartigen Akustik fällt mir da nur ein).

Besonders der Innenraum, in dem etwa 2.000 Personen Platz finden, ist sehr beeindruckend. Beachtenswert sind auch die Glasfenster und der Orgelprospekt.

Royan

Und dann ist da ja noch Royan, die Stadt, in der ich seit drei Tagen bin und die schon seit 2004 auf meiner persönlichen Liste der schönsten Orte Frankrechs auftaucht.

Royan ist eine Küstenstadt mit nur 17.000 Einwohnern, die aber deutlich größer wirkt (zum Stadtgebiet zählen noch mehrere eigenständige Gemeinden, mit denen Royan zusammengewachsen ist).

Von September 1944 bis April 1945  versank die Stadt unter britischen Luftangriffen im Zuge der Befreiung Frankreichs fast vollständig in Schutt und Asche: Kaum ein Gebäude in der Innenstadt überstand die Bombardements. Die Hafenstadt war von den Deutschen besetzt und aufgrund ihrer Lage an der Gironde strategsch nicht ganz unwichtig, aber ob diese vollständige Zerstörung sinnvoll war? Aber naja, was war schon sinnvoll in diesen Jahren… Nach dem Krieg wurde die Stadt dann in den zeittypischen Formen der 50er Jahre wiederaufgebaut.

Oh je, denkt man jetzt, wenn man Pforzheim, Köln oder Hannover vor Augen hat. Aber von wegen: Royan ist ein großartiges Beispiel für modernen Städtebau und Nachkriegsarchitektur.

Die großzügige und weitläufige Neuanlage brachte breite Straßen (die moderne Stadt mußte damals ja autogerecht sein), aber auch viel Grün und autofreie Bereiche für Fußgänger, insbesondere große Plätze mit Läden und Cafés. Die meisten Gebäude sind zwei- bis vierstöckig, selten höher, sie besitzen viele Balkone und Loggien; die Bürgersteige verlaufen vielfach unter langen Arkadengängen. Dadurch und weil fast ausnahmslos alle Gebäude weiß gestrichen sind, wirkt die Stadt hell und freundlich. Eine Wohlfühlstadt.

Ich glaube, ich bleibe einfach hier. 

Architektonisch herausragend sind vor allem der Häuserblock am Front de Mer, der mit seiner geschwungenen Form dem Verlauf der Bucht folgt:

…und die inzwischen schon denkmalgeschützte Markthalle.

Etwas erhöht steht die Kirche Notre-Dame. Sie bildet den Kontrast zur weißen Stadt. Ihr widme ich aber einen eigenen Beitrag.

Estuaire de la Seudre

Auch die Seudre, ein kleinerer Fluß in der Saintonge, bildet einen breiten Mündungstrichter. Rechts und links davon gibt es Feuchtwiesen, Sümpfe, Dämme, Wasserläufe, Kanäle, Teiche… die ganze Gegend ist weder richtig Land noch richtig Wasser, sondern irgendwie beides gleichzeitig.

Vom Viaduc de la Seudre, der Straßenbrücke zwischen La Tremblade und Marennes…

…überblickt man den gesamten Mündungsbereich der Seudre.

Am Nordufer liegt Marennes; es ist berühmt für seine Austernzucht, die hier traditionell in flachen Wasserbecken vollzogen wird. Durch die Gezeiten werden diese immer mit frischem Meerwasser versorgt. 

Und wer sich immer schon Gedanken gemacht hat, wo der (Wieder-)Entdecker des Kautschuk getauft wurde: In der Kirche von Marennes! (Falls mal jemand fragt).

Südlich von Marennes ist mitten in den Feuchtwiesen und Wasserbecken die Cité de l’Huître eingerichtet, so etwas wie ein Freilichtmuseum zum Thema Austern. Neben einer Ausstellung über Technik, Biologie und Geschichte gibt es auch Vorführungen: Man lernt, eine Auster korrekt zu öffnen und darf diese dann auch gleich essen. Außerdem gibt es Schau-Kochen mit Degustation.

C’est le lapin ostréiculteur alors.

Der Lapin Pêcheur hatte nämlich leider noch geschlossen.

Es sieht zwar nicht nach Sternerestaurant aus (und im Freundeskreis herrschte auch Skepsis ob des Bildes und der Kombination Pêcheur/Pizzeria), aber ein Hase ist natürlich allemal mehr wert als zwei Sterne. ?

Phare de la Coubre

Den westlichen Abschluß der Côte de Beauté bildet das große Waldgebiet des Forêt de la Coubre. Ich kann das zwar gerade nicht mediengerecht in Fußballfelder oder Saarlande umrechnen, aber die Wälder sind sehr groß. Auf der Küstenstraße fährt man viele Kilometer durch den Kiefernwald, der hier auf den Sandböden wächst.

Einen echten Eindruck über die Größe hat man aber nur von oben. Und dafür bietet er sich an:

Der Leuchtturm Phare de la Coubre. 1905 erbaut, gut 60m hoch, ~300 Stufen, die ziemlich luftig an die Innenseite des Turms geklebt sind.

Da muß man sich erstmal hochtrauen. Für mich ist das tatsächlich eine Herausforderung, aber wieder mal siegt der Wille zum Photo über die Höhenangst. Und mal ehrlich: Dieses Treppenhaus allein ist ja schon sooo ein geniales Photo-Motiv…

Die nächste Belohnung wartet dann oben, mit einem Blick, der nach Norden über den Forêt de la Coubre bis zur Insel Oléron reicht…

…und im Süden die Pointe de la Coubre mit ihrer sichelförmigen Landzunge abdeckt.

Der Reisehase allerdings bleibt fürs Photo gut gesichert im Schutz der Balustrade.

Alors, phare de la Coubre: Tu es trop beau de dessous, de dessus ET de l’intérieur – tu ne trouves pas tout ça un peu… exagéré ? Non ?

Côte de Beauté

…so nennt sich der Küstenabschnitt westlich von Royan, bis zur Landspitze Pointe de la Coubre. Und das durchaus mit gewisser Berechtigung.

Die Küste ist hier, insbesondere im “La Grande Côte” genannten Abschnitt, sehr felsig, aber Badestrände gibt’s zwischendurch auch. Und an einigen Stellen stehen auch wieder die typischen Fischerhütten mit ihren versenkbaren Netzen.

Beaulon, Schloß und Park

Etwas abseits der Hauptstraßen liegt im Hinterland der Gironde der kleine Ort Saint-Dizant-du-Gua. Hier steht das Château Beaulon mit großem Park.

Das Schloß selbst ist ein vergleichsweise schlichter Bau (also, für die Kategorie “Schloß” jedenfalls; im Französischen firmiert der Renaissancebau auch unter der Rubrik “manoir”); mehr Beachtung verdient der schön angelegte und gepflegte Park. 


Hier befindet sich auch die Attraktion des Ensembles: Les Fontaines Bleues, die blauen Quellen. Es handelt sich dabei um Karstquellen, genau wie z.B. der (deutlich größere) Blautopf auf der Schwäbischen Alb. Die blaue Farbe entsteht dabei durch Brechung des Lichts an Kalkpartikeln im Wasser.

Alternativ: Es sind die Tränen einer traurigen Fee, wie eine lokale Sage erzählt. Da kann sich jetzt jeder für eine Theorie entscheiden. Oder man läßt einfach die Fee kalkhaltige Tränen weinen, dann sind Physik und Romantik vereint. ?

Haute-Saintonge

…heißt das Hinterland nördlich der Gironde. Es ist ein recht flaches Hochplateau, von dem ich, wie ich gerade feststelle, nur dieses eine (nicht gerade spektakuläre) Bild gemacht habe (per Handy jedenfalls). Aber immerhin mit Sonnenblumen.

Charakteristisch sind in dieser Gegend die romanisch-gotischen Dorfkirchen, die sich vielerorts erhalten haben (allerdings manchmal in nicht allzu gutem Zustand). Der Baustil ist typisch für die Saintonge und ganz anders als weiter südlich in Aquitanien. Meist sind es einschiffige Kirchen mit massivem vier- oder achteckigem Turm, errichtet aus dem hellen Kalkstein der Region.

Von oben nach unten: Jonzac (St-Gervais-St-Protais), Marignac, Échebrune, Biron.

Große Entfernungen muß man da nicht zurücklegen; man kann einfach von Ort zu Ort hüpfen. Die Kirchen sind innen meistens sehr schlicht, haben aber besonders schön gestaltete Westportale, mit Figuren- und Pflanzenschmuck an Kapitellen und Archivolten, wie hier am Portal von St-Pierre in Échebrune.

Zentrum der Gegend ist ie Kleinstadt Pons, mit großer Burganlage mit mächtigem Donjon.