Oiron (Addendum)

Nachtrag.

Da war ja noch das Krokodil an der Wand der Stiftskirche von Oiron, das ein großes Fragezeichen produzierte.

Recherchen ergaben: Ich bin nicht der Einzige, der nicht weiß, was es da macht:

http://www.lanouvellerepublique.fr/actu/le-crocodile-de-la-collegiale-d-oiron-garde-son-mystere

Na gut, zugegeben: Was es da macht, weiß ich natürlich; das ist ja relativ eindeutig: Rumhängen. Aber warum und seit wann, ist nicht bekannt. Es ist ein Nilkrokodil, stammt also definitiv nicht aus den Flüssen der Umgebung (was mich im Nachhinein mit Blick auf meine Moor-Wanderung deutlich beruhigt). 

Eventuell hat es ein Teilnehmer von Napoleons Ägypten-Feldzug mitgebracht; es kann aber auch schon älter sein. Eine Verbindung ins benachbarte Schloß ist wahrscheinlich, auch wenn ich mich frage, warum es dann nicht dort im Jagdzimmer bei Hirsch und Iltis hängt, sondern hier zwischen Herz-Jesu-Figur und Fürstengrab. Um zumindest die Frage des Alters zu klären, wird aktuell eine C14-Untersuchung erwogen.

Frankreich 2017: Aquitaine / Charente / Poitou

Et voilà, c’est le fin de ce voyage. Malheureusement, le temps est venu de rentrer…

Tja, und dann war auch schon wieder Zeit für die Rückfahrt und zum Abschiednehmen.

Und ich so: 

(Abb. ähnlich)

Hinter mir liegen 4.072 Kilometer an 17 Reisetagen, viele nette Begegnungen und wunderschöne Landschaften in einem Land, in dem ich während der letzten 15 Jahre zusammengerechnet mehr als ein Jahr verbracht habe.

Hinter Euch liegen viiiiiele Postings (ich trau mich gar nicht, nachzuzählen) mit viiiielen Photos und noch mehr Text – danke, daß Ihr durchgehalten habt (falls Ihr durchgehalten habt 😉 ). Ich hoffe, es war nicht alles ganz uninteressant; beim nächsten Treffen mache ich eine kleine Lernerfolgskontrolle.

Nutzt die nun folgende kurze Pause – das war für dieses Jahr nämlich noch nicht alles. Der Reisehase hat noch was vor.

Vor mir liegt jetzt erst einmal das Sichten und Sortieren der 2.887 Photos, die ich mit der richtigen Kamera gemacht habe (für Statistiker: Das sind 0,71 Photos pro Kilometer), was mich sicher ein paar Abende kosten wird.

Es bleibt die Erkenntnis, daß der Wettergott ein Hase sein muß. Und daß es zwar viele schöne Länder gibt, aber den ersten Platz kann halt trotzdem nur eines belegen.

Vive la France! ❤ ?? ?

Culinaria

Falls das Kulinarische bisher im Blog etwas zu kurz gekommen sein sollte, lag das beileibe nicht daran, daß es in den Regionen an der Atlantikküste nichts gäbe und ich nach Verlassen des Médoc hätte darben müssen. Es ist eine Küstenregion; dementsprechend kommt viel Fisch auf den Teller. Und der passende Weißwein wird ja auch weitgehend direkt vor der Haustür angebaut. Zwei Beispiele.

Die schon vorgestellten Austern und andere Muscheln dürfen natürlich auch nicht fehlen, vor allem in der Gegend um Marennes.

Das Wesentliche so eines Menüs ist auch immer sehr präsentabel: Der Nachtisch. ?

Je n’ai pas trouvé un example pour l’émission “cauchemar en cuisine” – et non, aussi pas le Lapin Pêcheur (je suis sûr même sans y avoir mangé) !

Ich habe erfahren, daß es eine Fernsehsendung “cauchemar en cuisine” gibt (wörtlich “Alptraum in der Küche”). Ein Kandidat für diese Sendung ist mir aber nicht mal ansatzweise untergekommen.

Die Ausbeute füllte mühelos die Rückbank und kann sich sehen lassen, wobei ich nur eine Teilmenge des mitgebrachten Weines fürs Photo bereitgestellt habe.

Neben Wein, Pineau des Charentes, diversen Keksen (mit Cognac, ohne Cognac), Schokolade und Fleur de Sel wäre da noch der Liqueur Angélique zu nennen, eine Spezialität aus Niort (hintere Reihe, 2.v.r.). Ihm verdanke ich, daß ich nun weiß, a) daß es es eine Pflanze namens Engelwurz gibt, b) daß deren französischer Name Angélique lautet und c) man daraus Likör machen kann. Prost. 

Azay-le-Rideau

Das kleine Städtchen an der Indre besitzt ein wunderschönes Renaissanceschloß, in das ich mich schon beim ersten Besuch vor 20 Jahren verliebt hatte. Leider ist die Hauptsaison inzwischen vorbei und die Öffnungszeiten sind etwas eingeschränkt.

Also muß heute ein Blick von außen reichen, auch wenn die Parkfassade die eigentliche Schauseite ist. Aber auch die Hofseite ist ja sehr hübsch:

Die Kirche des Ortes stammt zumindest teilweise aus dem 11. Jh., vor allem die Fassade. Hier ist ein Stein zu sehen, auf dem ein Hase von zwei Hunden gejagt wird.

Es ist etwas unscharf (das Handy-Zoom stößt ob der Entfernung an seine Grenzen), aber man sieht deutlich, daß der Hase natürlich entkommen kann!

Und dann stehe ich gleich nochmal vor verschlossenen Türen. Es gäbe eine Ausstellung über die Shadoks in der ehemaligen Markthalle. Im Ort ist das nicht zu übersehen.

In der Markthalle sind aber alle Lichter aus und alle Türen zu. Schade.

Und wer sich jetzt fragt: Shadoks? Hä?

Die Zeichentrickserie mit den ziemlich bekloppten, aber niedlichen vogelartigen Wesen wurde 1968-73 vom französischen Fernsehen produziert und lief auch im deuschen Fernsehen; die Älteren (also mein Jahrgang) werden’s vielleicht noch von damals kennen. Ansonsten hat das unvermeidliche Youtube natürlich Beispiele en masse.

Descartes

Je pense donc je suis à Descartes maintenant…

In La Haye-en-Touraine wurde 1596 in diesem Haus der Mathematiker und Philosoph René Descartes geboren:

Das Haus ist heute Museum; dem großen Sohn der Stadt hat man außerdem vor dem Rathaus ein Denkmal errichtet:

Und schließlich wurde seine Geburtsstadt 1802 ihm zu Ehren in Descartes umbenannt. Er mußte also nicht wie Richelieu oder Napoleon eine eigene Stadt gründen (hatte aber sicher auch nie den Drang dazu)… Richelieu hätte es andererseits aber auch kaum geschafft, seine Geburtsstadt umzubenennen zu lassen: Er wurde in Paris geboren…

Auch Descartes liegt an der Creuse:

Richelieu

Der Name fiel ja bereits in Luçon, wo Armand-Jean de Plessis Duc de Richelieu Bischof war. Ab 1631 ließ der Kardinal und Erste Minister Frankreichs im Grenzgebiet von Touraine und Poitou (nicht allzu weit entfernt von den königlichen Residenzen wie z.B. Blois, also durchaus nicht irgendwo im Niemandsland) ein Schloß errichten. Eines in standesgemäßen Dimensionen. So sah das aus, als es fertig war:

Und so sieht es heute aus:

Dabei ist das noch nicht einmal das Schloß selbst, sondern nur ein Eckpavillon der Stallungen. Vom Hauptgebäude steht nichts mehr; das wurde ab 1835 von Spekulanten erworben, als Steinbruch genutzt und vollständig abgetragen. Nur noch der riesige Park zeugt davon, was hier mal stand. Er präsentiert sich jetzt, im Oktober, in herbstlichen Farben.

Neben den Schloßpark ließ Richelieu eine ganze Stadt errichten, die seinen Namen erhielt und diesen bis heute trägt. (Ok, wenn man ganz genau sein will, war es umgekehrt: Hier lag ein kleines Dorf namens Richelieu, aus dem seine Vorfahren stammten, die bereits den Titel eines Seigneur de Richelieu trugen). 

Es entstand jedenfalls eine typische Idealstadt des Absolutismus, planmäßig und streng geometrisch angelegt, mit großem Platz im Zentrum sowie Straßen im Schachbrettmuster, die von einem Rechteck von Stadtmauern umgeben sind.

An Vienne und Creuse

Zwischen Poitiers und dem Loiretal fließen mit Indre, Creuse und Vienne gleich drei recht große und wasserreiche Flüsse in Richtung Loire. Zwischen den Flußtälern wird viel Ackerbau betrieben, auch Wein wird hier angebaut (südlich im Gebiet Haut-Poitou, nördlich im Gebiet Touraine).

Und so sieht dann z.B. die Vienne aus, wenn sich die Morgennebel langsam auflösen:

Hier könnte ich jetzt Herbstgedichte von Hesse oder Rilke zitieren, aber dann finde ich gar keine sinnvolle Überleitung mehr zum nächsten Photo. Also einfach weiter: In Châtellerault wurde ein Fabrikgelände (einer Waffenfabrik) in ein Museums- und Kulturzentrum namens “La Manu” umgebaut:

Auf die um die Schornsteine herum angebrachte Aussichtsplattform kann man hinaufklettern; die Installation stammt vom in Creutzwald geborenen Künstler Jean-Luc Vilmouth.

Auch durch Châtellerault fließt die Vienne:

Zwischen Châtellerault und Poitiers liegt der Freizeit- und Wissenschaftspark Futuroscope mit teilweise futuristischer Architektur:

Und durch La Roche-Posay, bekannt für seine Mineralquellen (oder vielleicht eher für die zu L’Oréal gehörende Marke für Kosmetika), fließt die Creuse.

Poitou

Heute muß ich leider raus aus meinem Schloß, denn es geht weiter in Richtung Nordosten. Also weg aus der Vendée und damit auch weg vom Meer und den Küstenregionen. Nach und nach wird es etwas hügeliger. Es bleibt aber sehr ländlich.

Blick auf Oiron mit Schloß und Kollegiatskirche:

In der Kirche von Oiron findet man die üblichen Gegenstände vor: Grabmäler, Heiligenfiguren, Gemälde, Krokodil.

???. Ich habe nicht die geringste Ahnung.

Man sollte sich von der heute ländlichen Gegend aber nicht täuschen lassen: Im Mittelalter verliefen hier mehrere wichtige Handelswege, und das Loiretal, wo die französischen Könige damals residierten (Chambord!) ist nicht sehr weit. Von der Bedeutung des Poitou zeugen noch einige sehr alte Brücken wie diese bei Gourgé aus dem 12. Jh.

Am Pflaster sieht man schön die Straßenverhältnisse des Mittelalters – und ist froh, daß die Brücken heute nicht mehr für den Autoverkehr genutzt werden müssen (Pont de Saint-Généroux):

Die Abtei Saint-Jouin-de-Marnes wurde an der Stelle der spätantiken Siedlung Ension bereits um 342 vom später heiliggesprochenen Jovinus gegründet. Dessen Bruder war übrigens der ebenfalls Heilige Maximin, Erzbischof von Trier. St.-Jouin-de-Marnes gehört damit zu den ältesten Klostergründungen Frankreichs (und ist eventuell das zweitälteste nach Ligugé). Die außergewöhnlich schöne Klosterkirche stammt aus dem 12. und 13. Jh.

Und in Thouars ist man dann schon ganz im Norden des Poitou angekommen und befindet sich schon an der Grenze zu Anjou und Touraine, also im Loiretal mit seinen Schlössern. Aber das ist eine andere Geschichte bzw. Tour (die von 2009 ?).

Niort

Niort, knapp 60.000 Einwohner zählende Hauptstadt des Départements Deux-Sèvres, liegt am östlichen Rand des Marais Poitevin. 

Die Stadt ist insgesamt nicht unbedingt eine Schönheit, vermittelt aber einen gewissen spröden Charme und hat auch ein paar wirklich nette Ecken zu bieten. Letzteres gilt vor allem für die Uferbereiche der Sèvre Niortaise.

Wahrzeichen der Stadt ist der mächtige Donjon mit gleich zwei massiven Türmen. Er gehörte zur Festung, die der englische König Heinrich II. Plantagenet hier errichten ließ; dieser war gleichzeitig (dank seiner Heirat mit Eleonore (Aliénor) von Aquitanien) Herzog von Aquitanien und Graf von Anjou. Alles etwas verworren im Hochmittelalter…

Und abends geht’s dann wieder zurück ins Schloß. ? Hotel Château de la Sébrandière.

Und dort sowie auf dem Weg dorthin läßt sich wunderbar die Abendstimmung genießen.

Faymoreau

Womit in der sehr ländlichen Vendée mit ihren Sümpfen, Äckern und Viehweiden nicht unbedingt zu rechnen war, ist das hier:

Es ist nur ein Denkmal in verkleinertem Maßstab, aber dennoch: In Faymoreau wurde ab 1836 Steinkohle abgebaut. Zwar steht der originale Förderturm nicht mehr und die Kohleförderung ist lange eingestellt, aber es gibt noch die Grubensiedlung…

….und eine Kapelle, deren Buntglasfenster auch auf den Bergbau Bezug nehmen.

Ein Museum existiert auch, das aber gerade umgebaut wird und geschlossen ist. Ebenso der eigentlich als Restaurant genutzte Veranstaltungssaal der Grube, das Hôtel des Mines.