Von Trautenau führt eine Landstraße hinüber nach Polen. Grenzkontrollen gibt es hier natürlich nicht mehr, Europa sei dank. Die erste Stadt jenseits der Grenze ist Liebau in Schlesien (Lubawka).
Liebau hat heute ungefähr so viele Einwohner wie vor dem Krieg, nämlich etwa 5.500. Was sich auch nicht geändert hat, ist die Grenzlage weit abseits der heutigen Hauptachsen. Im Mittelalter führte noch ein wichtiger Handelsweg aus Schlesien durch Liebau in Richtung Prag, aber die eigentlichen Handelszentren, Breslau oder Krakau zum Beispiel, sind von hier doch sehr weit weg. Und so ist Liebau heute ein kleines, etwas verschlafenes Städtchen mit hübschen Häusern am Ring, auf dessen Mitte das große Rathaus steht (Bild oben).
Ein paar Kilometer weiter liegt Grüssau (Krzeszów), eine der größten Zisterzienserabteien in Polen. Die Mönche kamen 1292 hierher (von Heinrichau in Niederschlesien) und übernahmen ein 1242 gegründetes Benediktinerkloster. 1810 wurde Grüssau vom preußischen Staat aufgelöst. Dazwischen war es das geistige Zentrum des Riesengebirges und Niederschlesiens.
Die Klosterkirche, ein Werk von Kilian Dientzenhofer, entstand 1728-35, gilt als eine der schönsten barocken Klosterkirchen Mitteleuropas und ist tatsächlich sehr sehenswert. Der Trescher-Reiseführer schreibt sogar vom “schönsten Bauwerk der Zisterzienser in ganz Mitteleuropa”, aber da würde ich Einspruch einlegen, allein schon wegen der Klosterkirche in Doberan.
Um den großen Innenhof stehen weitere barocke Gebäude.
Die nächstgelegene Kreisstadt, von Grüssau etwa zehn Kilometer entfernt, ist Landeshut in Schlesien (Kamienna Góra). Hier leben etwa 18.000 Menschen, und daher ist hier schon etwas mehr los als im beschaulichen Liebau. Aber auch hier kann man durchaus Photos auf dem Ring machen, ohne daß einem Leute ins Bild rennen. Im gelben Gebäude links ist das Niederschlesische Webereimuseum untergebracht.
Der Begriff “Ring” ist jetzt schon mehrfach gefallen: So wird hier in Schlesien im allgemeinen der zentrale Platz der Stadt genannt. Auf Polnisch heißt er Rynek. Die Herleitung des Wortes ist nicht eindeutig geklärt, denn die Plätze sind natürlich nie ringförmig, sondern meist ganz normal rechteckig, wie auch hier in Landeshut. Dort steht ausnahmsweise das Rathaus nicht auf dem Ring, sondern ein paar Straßen weiter: Das große Neorenaissance-Gebäude wurde 1905 errichtet.
Es gab in der Stadt auch noch ein bedeutendes Renaissanceschloß, Kreppelhof. Das brannte allerdings 1964 aus und ist seitdem Ruine. Statt aber als Lost-Place-Tourist in den zerfallenden Resten herumzuklettern, schaut sich der Reisehase lieber die noch intakte Innenstadt an.