Chemnitz wurde während des 19. Jahrhunderts zu einem der Zentren der Textilindustrie auf dem Kontinent; das Wort vom “Sächsischen Manchester” ist viel zitiert – und der Vergleich beinhaltet neben der immensen Produktion an Textilprodukten natürlich auch die bittere Armut im Arbeiter-Milieu.

Insofern ist der große Karl-Marx-Kopf (incl. des grimmigen Blicks) hier in Chemnitz zumindest aus historischer Sicht doch nicht so ganz fehl am Platz. Die Geschichte der Chemnitzer und der Sächsischen Industrie erzählt das große Industriemuseum, das in einer Gießereihalle der Werkzeugmaschinenfabrik Escher untergebracht ist. Allein die Halle ist schon sehenswert, sowohl von außen als auch von innen (siehe Startbild).

Gezeigt werden alle Aspekte der Industriegeschichte der Stadt, wobei ein großer Schwerpunkt natürlich auf der Textilindustrie liegt.

Viele der Maschinen sind noch funktionsfähig.

Später war die Autoindustrie ein wesentliches Standbein; die Wanderer-Werke habe ich ja schon erwähnt. In der Ausstellung stehen vor allem Fabrikate von DKW, einer Firma, die eigentlich im nahegelegenen Zschopau ansässig war und 1932 mit Wanderer, Audi und Horch die Auto Union bildete. Hier ist zum Beispiel der DKW PS 600 von 1930, in dessen Name das “PS” nicht für Pferdestärke steht: Das Zweizylinder-Zweitakt-Reihenmotörchen leistete nämlich bloß 18 PS.

Die Sächsische Maschinenfabrik Chemnitz stellte von 1848 bis zur Weltwirtschaftskrise 1929 Dampflokomotiven her; eine davon, die 98 001 (für Fachleute: Sächsische I TV), steht im Museum.

Zu sehen gibt es aber noch sehr viel mehr: Druckmaschinen zum Beispiel (Bild unten), eine Sonderausstellung zum Spülmittel fit, das aus Chemnitz kommt, oder diverse Telephone, die auch bedient werden können. Dann klingelt es irgendwo anders in der Halle, und alle haben Spaß (Kinder UND Erwachsene).

Und ja, es gab auch Hasen, hier zum Beispiel als Backform bzw. Form für Schokohasen. Ich finde ja, jedes Museum sollte mindestens einen Hasen präsentieren.

Ein echtes Highlight für mich war dieses Photo aus der Abteilung Computer und Kommunikationstechnik: Der 1-Megabit-Chip U61000 wird vorgestellt, und ich weiß gar nicht, was mich mehr begeistert: Die etwas bräsige Präsentationsszenerie oder das Mienenspiel der Funktionäre im Bereich zwischen Ahnungslosigkeit und Desinteresse. Das war im September 1988, da war das Regime sichtlich schon vollkommen am Arsch, wußte es aber noch nicht.

Die Produktion des Chips war übrigens eine beachtliche Leistung; schließlich mußten die Ingenieure in Dresden und Jena mehr oder weniger alles von Grund auf selbst entwickeln. Auf dem Weltmarkt konnte man sich nicht bedienen; es gab ja ein Technologie-Embargo des Westens…