Stanislas Leszczynski: Wie wird ein Pole lothringischer Herzog? Das war das Ergebnis eines dieser komplexen Wechselspiele unter den europäischen Herrscherhäusern, wie sie zur Zeit des Absolutismus ja in Mode waren. Beteiligt (aktiv oder passiv) waren unter anderem das Haus Habsburg (also Österreich-Ungarn), Frankreich, Polen, Lothringen, die Toskana, Spanien und das Königreich beider Sizilien, und der Versuch, Konstruktion und Hintergründe komplett nachzuerzählen, würde den Text hier sprengen, und das liest dann endgültig keiner mehr. Möglicher Suchbegriff: Wiener Präliminarfrieden (1735).
Also ganz kurz: Damit der lothringische Herzog Franz III. Stephan die österreichische Kaiserin Maria Theresia heiraten durfte, erhielt er die Toskana. Stanislas Leszczynski, der polnische König und Schwiegervater des französischen Königs Ludwig XV., erhielt dafür 1737 die Herzogtümer Lothringen und Bar. Ursprünglich stand hier auf der Place Stanislas ein Denkmal für Ludwig XV., das aber die Französische Revolution nicht überstand. An seine Stelle trat das 1831 errichtete Stanislas-Denkmal.
Stanislas war nur ein Spielball der europäischen Großmächte und auch hier in Lothringen kaum mehr als eine Operettenfigur; die polnische Krone hatte er abgeben müssen, und der lothringische Herzogstitel war mehr oder weniger rein repräsentativ. Außerdem war vertraglich festgelegt worden, daß das bisher unabhängige Herzogtum Lothringen nach Stanislas’ Tod endgültig an Frankreich fallen sollte (was dann 1766 auch passierte, als er im stolzen Alter von 88 Jahren starb – übrigens an Verbrennungen, die er sich zuzog, als seine Kleidung am Kamin Feuer fing).
Der Schriftsteller Gerhard Nebel ließ im Merian-Heft zu Lothringen (9/1968) in seinem Artikel über Nancy kein gutes Haar an Stanislas: Der sei eine “feiste Operettenfigur”, “bigott” und “knirpsig” und sowieso eine “windige Figur”, ein Herrscher, bei dem er “menschliche Größe” vermißte und der “zeit seines Lebens ein Parasit” gewesen sei. Hui. Böse, böse. Der Reisehase wüßte ja, über wen er so schreiben würde, aber warum soll er sich mit dem Führungspersonal des FC Bayern beschäftigen? ?
Was dann aber auch Nebel zugestehen mußte: Der tatsächlich stark übergewichtige und zudem schwer gichtkranke Stanislas hat ein prachtvolles Erbe hinterlassen. Er ließ als Verbindung zwischen der Altstadt und der Neustadt Nancys eine neue Residenz errichten und daran anschließend einen großen Paradeplatz, der heute seinen Namen trägt und einer der schönsten Stadtplätze Europas ist. Stanislas betätigte sich außerdem intensiv als Mäzen der Künste und Wissenschaften und verbesserte die medizinische Versorgung der Armen. Ganz so negativ dürfte das Urteil der Nachwelt also eigentlich nicht ausfallen.
Bis 1983 diente der Platz als Parkplatz; seit der letzten Umgestaltung anläßlich der 250-Jahr-Feier des Platzes im Jahr 2005 ist er nun komplett autofrei, was dem Gesamtensemble deutlich zugutekommt. Um den Platz stehen mehrere Stadtpalais, die unter anderem ein Opernhaus beherbergten, sowie das monumentale Rathaus, das die komplette südliche Seite des Platzes einnimmt.
An der Nordseite steht, etwas zurückgesetzt zwischen den niedrigen Pavillons, der Triumphbogen Arc Héré (benannt nach dem Architekten des Ensembles), durch den man von der Place Stanislas zur langgestreckten Place de la Carrière kommt.
Dieser Platz führt dann zur ebenfalls von Emmanuel Héré errichteten Neuen Residenz (1751-53).
Aber nochmal zurück zur Place Stanislas. Ein besonderer Blickfang sind die schmiedeeisernen und üppig vergoldeten Gitter, die Jean Lamour, ein lothringischer Kunstschmied, schuf.
Viel Platz und viel Prunk also. Absolut angemessen für den Reisehasen: