Wieso Chemnitz? Nun, die Stadt liegt ohnehin auf der Rückfahrts-Route, und schließlich ist Chemnitz in diesem Jahr europäische Kulturhauptstadt.

Das Image von Chemnitz ist allerdings eher das einer Industriestadt als das einer Kulturstadt. Mit dem Chemnitzer Stadtbild verbinden die Leute in der Regel (wenn sie denn überhaupt eine Vorstellung von der Stadt haben) den Plattenbau. Das ist alles vielleicht nicht ganz falsch (schon gar nicht im Fritz-Heckert-Viertel, einer Plattenbausiedlung für etwa 80.000 Einwohner am südlichen Stadtrand), aber so ein Image enthält natürlich immer einen ziemlich hohen Anteil an Klischee und Vorurteil. Die Wirklichkeit ist doch meistens eine andere, und viele, die über eine Stadt wie Chemnitz reden, waren halt noch nie dort. Der Reisehase kennt Chemnitz von früheren Besuchen schon und weiß: Die Stadt hat ein zwar kleines, aber durchaus hübsches historisches Zentrum mit dem großen Doppel-Bau aus Altem und Neuem Rathaus, umgeben von Plätzen mit Marktständen und Außenbereichen von Restaurants und Cafés. Da kann man es schon aushalten.

Die beiden Rathäuser mußten allerdings nach dem Krieg wiederaufgebaut werden, da sie wie eigentlich die gesamte Innenstadt völlig zerstört worden war.

In der Innenstadt sind in den letzten Jahren auch einige moderne Gebäude entstanden, mit viel Glas und Stahl, vor allem ein großer fünfstöckiger Kaufhausbau am Marktplatz.

Dessen eine Front geht zur Rathausstraße, in der die zentrale Haltestelle für Busse und Bahnen ist, die konsequenterweise auch Zentralhaltestelle heißt.

Andere Kaufhausbauten kommen etwas dezenter daher.

Das Wahrzeichen von Chemnitz steht am Rand der Innenstadt: Der riesige Karl-Marx-Kopf, den die Stadt 1971 geschenkt bekam. Der Kopf ist 7,10 Meter hoch und gut 40 Tonnen schwer, steht vor dem ehemaligen Gebäude der Bezirksverwaltung und heißt im Volksmund schlicht “Nischel”.

Den grimmigen Blick kann man deuten, wie man möchte. Ich vermute, es ist die Erkenntnis, daß seine Theorien nicht so richtig funktionieren, wenn sie in die Realität überführt werden. Was er aber natürlich nicht zugeben möchte, der alte Betonkopf.

Karl Marx selbst ist übrigens zeitlebens nicht ein einziges Mal in Chemnitz gewesen. Man hat die Stadt 1953 trotzdem in Karl-Marx-Stadt umbenannt und das 1990 zum frühestmöglichen Zeitpunkt rückgängig gemacht.
Als Pufferzone zum Schutz der Innenstadt vor dem bösen Blick des Karl Marx dient die 1969-74 erbaute Stadthalle, ein Ensemble aus mehreren Gebäuden unterschiedlicher Gestaltung. Der Hochhausturm dahinter ist das ehemalige Interhotel.

Markant ist vor allem die Fassade aus geformten Betonelementen.

Historisch hat die Stadt ohnehin noch ein anderes Wahrzeichen als den “Nischel”: Den Roten Turm, der zur Stadtbefestigung gehörte und übrigens ab den 60er Jahren in nahezu jedem DDR-Haushalt stand: Das Spülmittel fit, in Chemnitz produziert, kam (und kommt) nämlich in Flaschen daher, die die Form des Turmes hatten. Produziert wurde fit vom VEB Fettchemie. Mit dem Namen machste im Kapitalismus keine große Karriere. Jedenfalls nicht als Unternehmen. Höchstens als Punkband, aber dann findeste den Kapitalismus ja eh nicht gut.

Chemnitz, die alte Industriestadt (das Thema kommt gleich noch ausführlicher), hat natürlich auch einiges an Industriearchitektur zu bieten. Im 19. Jahrhundert waren es vor allem Textilfabriken, wie hier die ehemalige Trikotagen- und Handschuhfabrik Sigmund Goeritz in der Zwickauer Straße:

Später kam der Maschinen- und Fahrzeugbau hinzu, mit der Sächsischen Maschinenfabrik und den Wanderer-Werken. Deren Hauptgebäude steht noch (im Stadtteil Schönau). Wanderer produzierte zunächst Fahrräder und Büromaschinen, später auch Autos, und ging 1932 in der Auto-Union auf, wo die Marke Wanderer fürs Sportliche stand. Das Verwaltungsgebäude, laut Denkmalschutz von herausragender Bedeutung, steht aktuell leer und verfällt.

