Zwischen Longwy und Charleville

…bewegt man sich in den südlichen Ausläufern der Ardennen. Es ist eine hügelige Landschaft mit Wäldern und großen landwirtschaftlich genutzten Flächen.

Von Süden nach Norden fließt die Maas (Meuse) quer hindurch, begleitet von mehreren Kanälen, die früher wichtige Handelsrouten waren und heute nur noch der Freizeitschiffahrt dienen. 

Wie Longwy diente auch die Festung Montmédy der Sicherung von Frankreichs Nordgrenze. Die Zitadelle ist gut erhalten,…

…die Gebäude innerhalb der Zitadelle teilweise nicht so.

Die für ein Dorf von 140 Einwohnern erstaunlich große Basilika Notre-Dame ist eine Wallfahrtskirche und gehört zu den bedeutendsten gotischen Kirchen Lothringens.

Im Inneren hängt der sogenannte Jongleur seit Jahrhunderten in dieser unbequemen Position, nämlich mit dem Kopf nach unten und verbogenen Beinen, an der Konsole (Bildmitte unten).

Mouzon ist eine Kleinstadt im Département Ardennes, also nicht mehr Lothringen, sondern Region Champagne-Ardennes, auch wenn das heute alles in der Großregion Grand-Est verwurstet ist. Weil damit aber keiner etwas anfangen kann, verwende ich weiter die alten Regionen. Hier in Mosomagum, wie Mouzon zur Römerzeit hieß, befand sich der Übergang über die Maas an der wichtigen Straße von Reims nach Trier. Im Mittelalter ließen sich dann Benediktiner hier nieder; davon zeugt die große, ebenfalls gotische Abteikirche.

Auch sonst macht das Zentrum von Mouzon einen netten (und lebendigen!) Eindruck.

Es bleibt auch noch Zeit für Entdeckungen am Rand der geplanten Fahrtroute, so wie die schön gelegene Chartreuse von Mont-Dieu.

Und Zisterzienser gab es hier in der Gegend natürlich auch (weshalb ich hier selbstverständlich auch schon mal war). Zum Beispiel in Élan, wo noch das Logis Abbatial und die zur Pfarrkirche des Ortes umgebaute Klosterkirche erhalten sind.

Marville

Der eigentlich recht hübsche kleine Ort Marville im Département Meuse, in dem ich für eine Nacht im Hotel bin, hat im Zentrum erschreckend viel Leerstand. Es gibt kaum Geschäfte, viele Häuser stehen leer oder sind, schlimmer noch, schon halb zerfallen. Und im Hotel (schön und modern – nicht daß Ihr denkt, ich nächtige in Ruinen!), das sich in einer Nebenstraße befindet, habe ich das Gefühl, das einzig lebende Wesen in dieser Straße zu sein.

Bis ich mit zwei Rumänen ins Gespräch komme, die auch hier übernachten und nun noch Lebensmittel und einen funktionierenden Netzzugang suchen (gibt’s aber beides nicht).

Dabei ist das Zentrum um die Pfarrkirche wirklich hübsch.

Aber nur zum Anschauen. Tocotronic haben mal wieder den korrekten Song dazu geschrieben: “Aber hier leben, nein danke”. (Der paßt natürlich auch an vielen anderen Orten, wenn auch dann aus anderen Gründen. Z.B. Heidelberg).

Viel toter als abseits des Hauptplatzes wird Marville dann auch auf dem außerhalb gelegenen Friedhof St-Hilaire nicht mehr.

Die Hauptattraktion wäre eigentlich das Ossuaire, das Beinhaus, in dem zehntausend Schädel und diverse andere Knochen ordentlich sortiert aufgestapelt waren, aber das ist gerade zwecks Restaurierung leergeräumt. So sah das noch 2006 aus.

Longwy und Umgebung

Longwy, im Dreiländereck Frankreich/Belgien/Luxemburg gelegen, besteht aus zwei Städten: Die Unterstadt ist eher das Wirtschafts- und Verwaltungszentrum. Hier stehen zum Beispiel das Rathaus (links) und das interessanterweise genauso große und genauso repräsentative Gebäude der Banque de France (rechts).

Die Oberstadt ist eine von Vauban geplante Zitadelle, mit der das französische Königreich seine Nordgrenze sicherte. Von der Sorte kommen die nächsten Tage noch mehr…

Durch die vauban-typisch sternförmigen Festungswälle (als Saarlouiser kommt einem so eine Festungsstadt bekannt vor), die rechtwinklig zueinander verlaufenden Straßen und den großen Paradeplatz kann man heute flanieren.

Noch zwei Impressionen aus dem Umland von Longwy: In Longuyon steht mit der Kollegiatskirche Ste-Agathe noch ein schöner Bau des 13. Jahrhunderts.

Und in Cons-la-Grandville steht das Château de Cons, das man unter gar keinen Umständen mit dem Château des Cons verwechseln sollte!

Daß auch diese Gegend eine industrielle Vergangenheit hat, zeigt dieser alte Hochofen am Ortsrand von Cons-la-Grandville.

Jamais un lapin des cons: Lapin Voyageur.

Hayange

Eine der Städte im Industrierevier um Thionville ist Hayange, das beispielhaft für die sozialen Probleme steht, die der weitgehend unbewältigte Strukturwandel mit sich brachte, inclusive der Folgeproblemfelder Arbeitslosigkeit und Immigration. All das ist auf den Straßen der Orte im Fenschtal deutlich sichtbar. 

In Hayange versucht man aber sichtlich – und durchaus erfolgreich – , dem entgegenzuwirken und das Stadtzentrum um das Rathaus aus den 50er Jahren aufzuwerten. Die Stadt wirkt entsprechend aufgeräumt, ist hell und sauber. Dieses Resultat erfordert allerdings offensichtlich auch flächendeckende Videoüberwachung. 

Und daß Hayange eine der Städte ist, in denen der Front National (inzwischen umbenannt in Rassemblement National, aber inhaltlich sind das weiterhin dieselben Gedanken in denselben Köpfen) den Bürgermeister stellt, sollte man auch nicht unerwähnt lassen…

Im Zentrum stehen auch interessante Skulpturen, die Bezug auf die Eisen- und Stahlindustrie nehmen.

Und den Hintetgrund bilden immer die Relikte des Industriezeitalters: Hochöfen und Anlagen der stillgelegten Stahlwerke, die das Gesicht von Hayange lange Zeit prägten.

Die Arbeitersiedlungen liegen in unmittelbarer Nähe zum Werksgelände.

Führend war die Unternehmerfamilie de Wendel, die zum Beispiel auch Werke in Stiring-Wendel besaßen und nach 1871 Reichstagsabgeordnete für Elsaß-Lothringen stellten.
In Hayange steht noch, allerdings in sehr schlechtem Zustand und wohl nur noch partiell zu retten, wenn überhaupt, das riesige Schloß der Familie de Wendel. 

Frisch restauriert wurden immerhin die Nebengebäude wie die Orangerie. Der Justiz stellte man sogar einen Neubau auf das Gelände.

Aujourd’hui le Lapin Mosellan:

Im lothringischen Industrierevier

Statt mit einem Hochofen-Photo beginne ich einfach mal hiermit: 

In der Industrieregion um Thionville (die Stadt hat der Hasenblog ja schon am Tag unseres WM-Sieges vorgestellt) findet man nämlich (wenn man ein wenig sucht) auch historische Gebäude wie diese Kapelle Saint-Nicolas aus dem 12. Jh.: Sie steht in Fameck und ist einer der wenigen original erhaltenen romanischen Bauten Lothringens. 

In erster Linie ist vor allem das Tal des kleinen Flusses Fensch aber eine große, von der Industrie geprägte Region, vergleichbar mit dem Ruhrgebiet oder dem Saarrevier. Hier waren Stahlhütten und Eisenwerke sowie Eisen- und Kohlebergwerke angesiedelt; ein Großteil davon wurde stillgelegt, vieles wurde abgerissen, manches rottet noch vor sich hin. 

Moderne Architektur hingegen in Florange: La Passerelle ist ein Konzertsaal, in dem regelmäßig bekannte Künstler auftreten.

Etwas traditioneller, aber durchaus regionaltypisch sind das Rathaus und die Pfarrkirche von Florange.

In Uckange wurde einer der Hochöfen erhalten und kann heute zusammen mit dem zum Jardin des Traces umgestalteten Gelände besichtigt werden. Außer Montags. Klarer Planungsfehler. Mist.

Florange, Uckange, Hayange, Nilvange, Knutange, Morlange… Bei all diesen Ortsnamen auf -ange (entspricht dem deutschen -ingen) fehlt eigentlich nur noch Lasange… ?

Im Dreiländereck

Auf französischer Seite im Dreiländereck liegt an der Mosel die Kleinstadt Sierck-les-Bains mit der Ruine einer Burg der lothringischen Herzöge. 

Unterhalb der Burg quetscht sich die kleine Altstadt mit ihren engen Gassen und den nur teilweise restaurierten alten Häusern in den schmalen Streifen zwischen Burgfelsen und Mosel.

Ach, wie schade. Hier hätte ich gerne gebadet…

Am Stadtrand lag im Mittelalter das Zisterzienserinnenkloster Marienfloss, das 1415 von den Kartäusern übernommen wurde. Von der Anlage steht nur noch eine schlichte Kapelle.

Die Kartäuser zogen bald nach Rettel um, ebenfalls direkt an der Mosel. Hier steht im Ortskern noch die alte Maison aux Dîmes, der Zehnthof.

Östlich der Mosel liegt Manderen. Hier wird die restaurierte Burg Malbrouck heute für Veranstaltungen und Ausstellungen genutzt.

Und auch ein Mitglied der “Plus Beaux Villages de France” hat das Département Moselle zu bieten: 

Das kleine Rodemack besitzt noch große Teile der mittelalterlichen Stadtmauern sowie eine Zitadelle…

…und hat auch einen hübsch herausgeputzten Ortskern.

Aujourd’hui un Lapin Mosellan: Sur les remparts de Rodemack.

Aumetz und das lothringische Bassin Minier

Das Luxemburger Industrierevier geht nahtlos in das lothringische Revier über. Die Orte hier in der Gegend nordwestlich von Thionville sind zumeist deutlich vom Bergbau geprägt; abgebaut wurde vor allem die Minette, wie das lothringische Eisenerz heißt. 

In Aumetz steht noch einer der Fördertürme des Eisenbergwerks, das 1998 geschlossen wurde. 

Er ist heute Teil des Musée de la Mine (laut Öffnungszeiten im Aushang geöffnet, laut Augenschein geschlossen).

Die Kirche des Ortes zitiert deutlich die Industriearchitektur.

Im Nachbarort Crusnes steht in einer Bergarbeitersiedlung die Kirche Ste-Barbe. Besonders an ihr ist nicht, daß sie der Heiligen Barbara geweiht ist (die ist schließlich die Schutzpatronin der Bergleute), sondern, daß sie ganz aus Eisen erbaut wurde.

In Tressange stehen noch typische Lothringer Häuser…

…aber auch Bergbaurelikte wie diese umfunktionierte Grubenbahn.

Und in Audun-le Tiche gründete ein gewisser François Boch im Jahr 1748 eine Porzellanmanufaktur: Aus der kleinen Fabrik wurde später Villeroy & Boch, seit 1801 im saarländischen Mettlach ansässig. Die Manufaktur in Audun steht nicht mehr; nur ein Schild in der Rue de la Faïencerie erinnert an die Wiege von V&B.

Audun-le-Tiche besaß außerdem das letzte aktive Eisenerz-Bergwerk Frankreichs. Der Betrieb wurde 1997 eingestellt; zu sehen ist davon nicht mehr viel. Dafür hat Audun aber eine hübsche Kirche…

…und moderne Architektur (eine Kita).

Lapin Minier Lorrain:

Thionville

Thionville an der Mosel zwischen Metz und Luxemburg hat etwa 40.000 Einwohner und zählt aufgrund der Tatsache, daß es Mittelpunkt einer Region der Schwerindustrie war, nicht unbedingt zu den beliebtesten touristischen Zielen in Frankreich.

Dabei hat die Stadt eine reiche Geschichte, die schon im 8. Jahrhundert als “Theodonis Villa” beginnt und wo sich schon früh die Herrscher des römischen Reiches aufhielten: Hier verfaßte Karl der Große im Jahr 805 sein politisches Testament. Lothar I., römischer Kaiser von 823 bis 855, König von Italien und Regent des Mittelreiches Lotharii Regnum (das spätere Lothringen) und Gründer der Abtei Prüm heiratete hier im Jahr 821 Irmingard von Tours. Aus dieser Epoche ist nichts erhalten; heute prägen die Bauten anderer Zeiten die Stadt: Von den langen Jahren als französische Grenzfestung zeugen noch Bauten wie der Rundturm Tour aux Puces (im Bild oben rechts zu sehen) und die Pont-Écluse über einen Nebenarm der Mosel.

Mit der Industrialisierung wurde Thionville zum Zentrum der Schwerindustrie und des Eisenerz-Abbaus hier im nördlichen Lothringen, wovon zahlreiche Hochhausbauten der Nachkriegsjahre zeugen, die das Stadtbild in der Tat nicht unbedingt verschönern. Und seit dem Niedergang der Schwerindustrie hat die Stadt mit den gleichen Problemen zu kämpfen wie die Städte im Ruhrgebiet. Dennoch bietet das Zentrum zahlreiche historische Bauwerke, wie z.B. das im ehemaligen Klarissenkloster untergebrachte Rathaus…

…oder der im 14. Jahrhundert errichtete Beffroi.

Heute, am Tag des Finals der WM 2018, präsentiert sich die Innenstadt Thionvilles besonders farbenfroh: Auf dem Plätzen im Zentrum sammeln sich rechtzeitig vor dem WM-Finale die Leute, um die Équipe tricolore auf ihrem Weg zum Weltmeistertitel zu begleiten.

Nach dem Finale steigt hier (und auf den Straßen um das Zentrum herum) die große Meisterfeier, denn…

ON EST CHAMPION DU MONDE!! MERCI LES BLEUS!!

Fier d’être bleu: Le Lapin Champion du Monde

Bouzonville

Bouzonville (deutsch: Busendorf) entstand um eine in der Revolution aufgelöste Benediktinerabtei Sainte-Croix, in der ein Partikel des Kreuzes Christi aufbewahrt wurde. Dieses vermutlich nur splittergroße Holzstückchen, das Kreuzritter aus dem Heiligen Land mitgebracht hatten, wurde 1792 im örtlichen Rathaus rituell verbrannt. Was vermutlich bei der eher geringen Größe nicht allzu lange gedauert haben dürfte. Die hübsche, etwas erhöht über dem Tal der Nied gelegene Klosterkirche Heilig-Kreuz überlebte hingegen die Revolution und, im Gegensatz zu einem nicht geringen Teil der Häuser in der Innenstadt, auch die Kämpfe des Zweiten Weltkrieges.

Und wie man sieht, redet man auch hier Platt, eine Variante des moselfränkischen Dialektes. Allerdings erkennt der Profi, daß es eine andere Variante des Platt ist, als sie weiter östlich in Saargemünd gesprochen wird (erkennbar am Verb “schwätzen” / “redde”).

Distroff (Moselle, Lorraine)

Sonntag, der 15. Juli 2018. Tag des WM-Finales. Da steht es natürlich außer Zweifel, daß ich hinüber nach Frankreich fahre.

Von Saarlouis aus führt die L405 auf den Saargau hinauf und dann, auf französischer Seite, als D918 bis nach Thionville, das auf Deutsch Diedenhofen heißt. Die uralte Straße verbindet die beiden Festungsstädte an Saar und Mosel und führt durch das eher dünn besiedelte, ländliche Lothringen, an das ich auch einige persönliche Erinnerungen habe.

Unser Gymnasium in Saarlouis hatte ein Austauschprogramm mit einer Schule im lothringischen Kédange-sur-Canner, einem 1.600-Einwohner-Kaff an besagter Straße, das aber als Gymnasiumsstandort für die Dörfer der weiten Umgebung diente. Aus dem Austausch entstanden Bekanntschaften, und so kam im Freundeskreis zu Schulzeiten die Idee auf, Freunde in Distroff zu besuchen, etwa 50 Kilometer von Bous entfernt. Mit dem Fahrrad. Hätte man nun in Erdkunde bzw. Heimatkunde aufgepaßt, wäre einem das “Lothringer Stufenland” ein Begriff gewesen: Das Land ist wellig, die Straße führt geradeaus hindurch und hat daher das typische Profil einer Minigolfbahn. Es geht entweder hinauf oder hinab; längere Flachpassagen gibt es quasi nicht. So kamen wir zwar noch einigermaßen aufrecht in Distroff an, wurden dann aber vom nicht enden wollenden Rückweg ziemlich gnadenlos zerrieben und ließen uns schließlich von den Eltern per Auto abholen. Es gibt Photos, auf denen wir recht unbrauchbar am Straßenrand an einer Mauer in Bouzonville herumliegen.

Heute fahre ich die Strecke mit dem Auto und wundere mich, daß wir bei diesem Streckenprofil überhaupt die schließlich etwa 80 Kilometer geschafft haben.

Distroff, 1.700 Einwohner, war das Ziel der damaligen T(ort)our. Der Ort liegt schon im Umland von Thionville, der Kreisstadt an der Mosel. Das kleine Ortszentrum bilden Kirche und Rathaus, die sich auf beiden Seiten einer der beiden Hauptstraßen des Ortes gegenüberstehen. Im Mittelalter war Distroff Sitz einer kleinen Grundherrschaft, woraus auch ein Schloßbau resultierte, von dem sich aber nur Reste erhalten haben.

Erinnert sich trotzdem sehr gerne an die Besuche in Distroff: Lapin Distroffois.

Ein weiteres der typischen lothringer Straßendörfer, durch die man fährt, ist Hombourg-Budange.

In Kédange-sur-Canner steht am Ortsrand das neue, moderne Collège de la Canner. Es ist die Nachfolgeinstitution des Collège de la Forêt, der Schule, mit der wir die erwähnte Schulpartnerschaft hatten. Die alten Gebäude (am anderen Standort) wurden allerdings vor kurzem abgerissen.

Der Ortskern von Kédange wirkt etwas ausgestorben. Zumindest dürfte es schwierig werden, im “café” die “amis” zu treffen.