Bormio (2)

Bormio ist zwar eine Sportstadt, aber keine echte Wanderregion. Es gibt ein paar Wanderwege, aber mit Markierungen und Wegweisern ist man hier sehr sparsam. Bormio spezialisiert sich offenkundig eher auf Wintersport und im Sommer aufs Radfahren und Mountainbiking.

Eigentlich war für den heutigen Tag ja eine Runde geplant, die über das Stilfser Joch, durch das schweizerische Münstertal und über den Umbrailpaß zurückgeführt hätte. Aber der Umbrail ist seit ein paar Wochen wegen eines Felssturzes gesperrt, und da auch im Munt-la-Schera-Tunnel bei Livigno gebaut wird, erreicht man Bormio aktuell nur übers Stilfser Joch oder von Süden her von Tirano. Der langen Rede kurzer Sinn: Ich fahre das Stilfser Joch erst morgen, dann muß ich sowieso in diese Richtung. Stattdessen bleibe ich heute in Bormio und suche mir eine schöne Wanderung aus. So der Plan.

Im Stadtzentrum ist ein Weg Nr. 199 nach Oga ausgeschildert. Der klang gut, und Oga liegt Aussicht verheißend am Berghang oberhalb von Bormio. Aber leider taucht die 199 danach nie wieder auf. Ein anderer ausgeschilderter Weg, der Sentiero Viola, führt immerhin entlang der Adda flußaufwärts und ist sehr gut ausgebaut.

Die erste Brücke über den Fluß nehme ich und verlasse den Sentiero Viola, weil ich hoffe, so noch in Richtung Oga zu kommen, aber nach längerer Wegstrecke lande ich im kleinen Örtchen Seghetto am Fuß der Umbrailgruppe. Und dafür mußte ich noch halbillegal am Rand einer Rollski-Piste entlanggehen, die eigentlich für Fußgänger gesperrt ist. Aber pssst!

In Seghetto zeichnet die Wander-App wieder einen gordischen Knoten als zurückgelegten Weg auf, was dieses Mal aber kein Fehler der App ist, sondern daran liegt, daß ich tatsächlich einen Knoten in die Landschaft laufe. Weil es von hier nämlich tatsächlich keinen anderen Weg zurück zu geben scheint als den, den ich gekommen bin. Zwar trifft man hier wieder auf den Sentiero Viola entlang der Adda, aber der Weg ist nach wenigen Metern gesperrt (Durchgang verboten) wegen einer Baustelle. Ich probiere zwei andere Wege, die mir die App anzeigt, aber die existieren nicht mehr oder es hat sie nie gegeben. Schließlich rede ich mit einem älteren Herren aus Seghetto (Hintergrund-Info: Mein Italienisch ist seit gestern nicht viel besser geworden), der meint, ich solle doch einfach durch die Baustelle an der Adda laufen, das ginge schon, wir seien schließlich in Italien, das störe keinen, und auf das Durchgang verboten solle ich pfeifen. Ich versuche, klarzumachen, daß ich dazu durchaus bereit wäre, aber daß ich da schon war und daß da gerade leider überhaupt kein Weg ist, sondern ein Abgrund, und wir einigen uns schließlich, daß ich stattdessen die Landstraße entlanggehen kann. Die ist ziemlich stark befahren, weil es die Hauptstraße von Bormio nach Livigno ist, und sie ist ziemlich schmal und ohne Randstreifen (links eine Mauer, rechts ein Abhang). Ich werde aber nicht von einem LKW umgenietet, komme so zumindest in den Nachbarort Turripiano, und finde hier wieder Wanderwegweiser, sogar in Richtung Bormio. Wie zum Hohn ist hier sogar Weg Nr. 199 ausgeschildert, und der zeigt auch noch grob in die Richtung, aus der ich gekommen bin. Schon 200 Meter weiter muß man an der ersten Kreuzung aber schon wieder raten, wo es langgeht. Naja, ganz ohne Abenteuer wär’s ja auch langweilig.

Immerhin gibt’s von unterwegs viele schöne Blicke in die Gebirgstäler um Bormio.

Der glücklich gefundene Weg führt dann zur Kirche San Gallo, die dem irischen Mönch Gallus geweiht ist und vermutlich schon sehr alt ist; zumindest ist nicht bekannt, wann (und warum) an dieser Stelle eine Kirche errichtet wurde.

Im Bild oben sieht man übrigens im Hintergrund am Berghang die Stelvio-Skipiste, auf der der Abfahrtslauf im Ski-Weltcup ausgetragen wird und die zu den schwersten Pisten des Weltcup-Kalenders zählt (zusammen mit der Lauberhorn-Abfahrt von Wengen und der Streif in Kitzbühel).

Der schneebedeckte Berg, der hier im Hintergrund herausschaut, dürfte übrigens der Ortler sein, wenn ich mich nicht arg täusche.

Rahmendaten: 17,5 Kilometer, 2:56h Gehzeit, 204 Höhenmeter.

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