Kaunas (2)

Kaunas besteht aus einer Altstadt nahe der Mündung der Neris in die Nemunas (Memel) sowie der östlich gelegenen Neustadt. Wer mit dem Zug ankommt, landet am Hauptbahnhof weit im Osten von Kaunas; bis zum Kern der Altstadt sind es von hier etwa drei bis vier Kilometer. Die kann man per Bus zurücklegen oder zu Fuß. Das macht der Reisehase. Denn so kommt er durch die Kaunaser Neustadt und kann sich die zahlreichen sehenswerten Bauten der Zwischenkriegszeit anschauen.

Aber zunächst folgt noch der obligatorische Abstecher zum Fußballstadion der Stadt, das ebenfalls am östlichen Stadtrand in einem Parkgelände steht. Während es in Vilnius nur kleinere Stadien gibt (Žalgiris Vilnius zum Beispiel, einst der erfolgreichste Verein des Landes, spielt in einer Anlage für etwa 5.000 Zuschauer), steht in Kaunas das Nationalstadion, das gerade komplett umgebaut wurde und nun 15.000 Plätze bietet. Hier spielt auch die litauische Nationalmannschaft.

Vielleicht kann man’s auf dem Photo lesen: Es heißt Dariaus ir Girėno Stadionas und ist benannt nach zwei litauischen Flugpionieren, Steponas Darius und Stasys Girėnas, die 1933 einen Nonstopflug von New York nach Kaunas wagten – und bei Soldin in Westpommern (heute polnisch Myślibórz) aus nie geklärten Gründen abstürzten. Nationalhelden wurden sie trotzdem. Das Flugzeugwrack ist heute im Militärmuseum in Kaunas ausgestellt. Und das sieht so aus:

Schnurgerade in West-Ost-Richtung verläuft die Laisvės alėja (Freiheitsallee), eine Prachtstraße, die 1,6 Kilometer lang ist und die Hauptachse durch die Neustadt darstellt. Allee ist übrigens eine durchaus korrekte Bezeichnung, denn in der autofreien Straße stehen fast 600 Bäume.

Hier und in den kaum weniger prächtigen Parallelstraßen stehen außerdem zahlreiche repräsentative Gebäude in einer Stilmischung aus Art Déco, Neuer Sachlichkeit und Neuem Bauen. Sie sind vielfach sehr bemerkenswert, wie die große Auferstehungskirche von 1934-40. Dieses Ensemble der Zwischenkriegsarchitektur soll Kaunas demnächst den Status des UNESCO-Weltkulturerbes bescheren. Beworben hat man sich schon.

Daß Kaunas insbesondere aus dieser Epoche so viele Gebäude vorweisen kann, ist der Geschichte der Stadt und überhaupt Litauens geschuldet: Nach dem Ersten Weltkrieg nämlich hatten sich die Polen den Osten Litauens unter den Nagel gerissen und auch die eigentliche Hauptstadt Wilna besetzt. Dem gerade erst unabhängig gewordenen Litauen blieb nichts anderes übrig, als die zweitgrößte Stadt des Landes, Kaunas, zur provisorischen Hauptstadt zu machen. Für Kaunas bedeutete das einen enormen Aufschwung und einen richtigen Bauboom, dem die Stadt vor allem die Neustadt zu verdanken hat.

Auch der Staatspräsident residierte damals in Kaunas. Antanas Smetona regierte die junge Republik Litauen ab 1926 nach einem Militärputsch eher diktatorisch. 1940 floh er ins Ausland und lebte bis zu seinem Tod 1944 in den USA. Die beiden anderen Staatspräsidenten im Baltikum, Konstantin Päts in Estland und Kārlis Ulmanis in Lettland, blieben 1940 im Land, woraufhin sie von den Sowjets nach Sibirien deportiert wurden, wo sie in dortigen Gefängnissen starben (Ulmanis 1942, Päts 1956). Der Präsidentenpalast in Kaunas steht noch; in der kleinen Parkanlage ist eine Ausstellung zur Geschichte der Republik in der Zwischenkriegszeit installiert.

Bedeutendstes Museum von Kaunas ist vermutlich das Čiurlionis-Kunstmuseum. Mit vollem Namen heißt es “Nacionalinis Mikalojaus Konstantino Čiurlionio Dailės Muziejus”. Es trägt den Namen des wohl bedeutendsten litauischen Künstlers: Mikalojus Konstantinas Čiurlionis, der mit nur 35 Jahren an einer Lungenentzündung starb, aber trotzdem ein beachtliches Werk hinterlassen hat, mit Landschaftsgemälden und geheimnisvollen symbolistischen Werken. Er war aber nicht nur Maler, sondern auch Komponist: Und wenn man sich zum Beispiel die symphonische Dichtung “Jūra” (“das Meer”) anhört, dann merkt man, daß er sich keineswegs hinter Débussy und dessen gleichnamigem Werk verstecken muß. Leider wird Čiurlionis in Deutschland viel zu selten gespielt. Ein Fehler.

Apropos Fehler: Den begeht auch der Reisehase, weil er den Kaunas-Besuch auf einen Montag gelegt hat. Da ist das Čiurlionis-Museum nämlich geschlossen. Das sollte einem Reiseprofi eigentlich nicht passieren. Immerhin, an Kunst mangelt es in Kaunas auch im öffentlichen Raum nicht. Da sind diverse Brunnen…

… Skulpturen …

…und vor allem Wandgemälde und Street Art, für die die Stadt inzwischen auch sehr bekannt ist.

Nachtrag (20.09.23): Thema UNESCO-Welterbe: Kaum schreibe ich’s… Nur drei Wochen nach diesem Beitrag hat die UNESCO Kaunas, insbesondere die Architekturdenkmäler der Zwischenkriegszeit, in ihre Welterbeliste aufgenommen.

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