So ungefähr hatte ich mir das Künstlerdorf Worpswede vorgestellt: Alte Künstlerhöfe, die idyllisch im Grünen liegen. Ungefähr so wie das französische Pendant Barbizon, im Wald von Fontainebleau gelegen, wo Künstler wie Corot und Millet die “Schule von Barbizon” prägten.
Der erste Eindruck von Worpswede ist aber ein anderer, weil das Ortszentrum an mehreren durchaus stark befahrenen Straßen liegt. Man muß sich also deutlich abseits der Hauptstraßen aufhalten, damit Worpswede sein Flair entfalten kann. Zum Beispiel an der Windmühle, die ein beliebtes Motiv der Künstler war.
Der deutsche Jugendstil, Impressionismus und Expressionismus bekamen aus Worpswede wichtige Impulse. Die Künstlerkolonie entstand ab 1889, initiiert von Fritz Mackensen, der allerdings später in der NS-Zeit ein eher angepaßter Künstler war, weshalb er heute auf den Infotafeln in Worpswede tendenziell verschwiegen wird.
Einer der ersten Künstler, die Mackensen folgten, war der Bremer Heinrich Vogeler. Er erwarb ein Hofgebäude, den Barkenhoff, und ließ ihn umbauen. Heute ist hier das Heinrich-Vogeler-Museum untergebracht.
Der Barkenhoff wurde zum Kern der Kolonie. Mackensen und Vogeler lockten zahlreiche weitere Künstler nach Worpswede, unter anderem Otto Modersohn und seine Frau Paula Modersohn-Becker sowie Fritz Overbeck. Aber auch Dichter und Schriftsteller kamen nach Worpswede, zum Beispiel Rainer Maria Rilke und der Saarländer (in Merzig geborene) Gustav Regler. Mein Lieblingsbild aus dem Umfeld der Künstlerkolonie (falls das jemanden interessiert) ist übrigens Otto Ubbelohdes “Worpsweder Mädchen”, ein sehr schönes Portraitbild.
Mitten im Wald und also tatsächlich sehr idyllisch gelegen, steht außerdem die “Käseglocke”, ein rundes Wohnhaus, das nach einem Entwurf von Bruno Taut errichtet wurde (der federführend z.B. an den Siedlungen der Berliner Moderne beteiligt war). So langsam wird das hier auch was mit den Querverbindungen innerhalb des Hasenblogs. Sehr schön.
Einige der Worpsweder Künstler sind auf dem Friedhof des Ortes bestattet, zum Beispiel Paula Modersohn-Becker oder der 2020 gestorbene Bildhauer Waldemar Otto, dessen Grab eine seiner Skulpturen ziert (vorne links). Den Namen merken wir uns mal, der fällt gleich nochmal.
Im Zentrum des Kolonie-Bereiches steht der Baukomplex mit dem Kaffee Worpswede, ein Entwurf von Bernhard Hoëcker.
Natürlich nicht! Bernhard Hoetger ist der korrekte Name. Hoetger, in Dortmund-Hörde geboren, war auch an der Darmstädter Künstlerkolonie (Mathildenhöhe) beteiligt und gestaltete die neue Bremer Böttcherstraße. Wer weiß denn sowas? Der Reisehase!
Vor dem Kaffee Worpswede steht die Figurengruppe “Bacchus” von Waldemar Otto. Da isser wieder.
Definitiv große Hasenkunst: Der Reisehase.
Ein kurzer Blick in die Worpsweder Geschäftswelt: Ich hoffe ja inständig, daß das hier nicht der normale Tonfall am Ort gegenüber der Kundschaft ist. Selbst wenn ich – theoretisch – bereit wäre, eine Maske anzuziehen, um Bücher zu kaufen, würde ich da nicht reingehen: So will ich mir das nicht sagen lassen.
Es geht nämlich auch anders. Das Melkhäuschen im Teufelsmoor hat mich damit schon erobert. 🤗
Und ja, ich wollte sie besuchen. Und nochmal ja, es hat sich gelohnt: Kuchen gut, Atmosphäre gut, alles gut. Liebe Grüße ans Melkhäuschen. 😊