Gerhart Hauptmann sind wir in seinem Geburtsort Bad Salzbrunn schon begegnet, und mit dem bedeutendsten schlesischen Dichter können wir hier am Eulengebirge gleich weitermachen: Sein Drama “Die Weber” sollte – mindestens als Schullektüre – eigentlich bekannt sein. Hauptmann hat darin den Weberaufstand von 1844 verarbeitet.
Die schlesischen Weber arbeiteten in Heimarbeit, wurden sehr schlecht entlohnt und lebten in elenden Umständen. Als schüchterne Forderungen nach Verbesserungen durch die Fabrikanten abgelehnt wurden, kam es am 4. Juni 1844 in Peterswaldau (Pieszyce), wo der Fabrikbesitzer Ernst Friedrich Zwanziger als besonders schlimmer Ausbeuter galt, zu Unruhen. Im Ort, einer langgestreckten Siedlung in einem Bachtal, erinnert daran heute nur wenig; man sieht noch einige herrschaftliche Häuser (Fabrikantenvillen?).
Von Peterswaldau griff der Aufruhr ins benachbarte Langenbielau (Bielawa) über, wo die Textilfabriken Dierig zu den größten Textilproduzenten der Region zählten. Hier tobte der Weberaufstand besonders heftig, ehe er vom Militär blutig niedergeschlagen wurde. Daran erinnert heute ein Gedenkstein im Zentrum von Langenbielau.
Hauptmann hat sich mit seinem sozialkritischen Weber-Drama nicht überall beliebt gemacht. Für Heinrich Heine war das eh nie ein Ziel, schon gar nicht, als er das Gedicht “Die schlesischen Weber” schrieb, mit den Zeilen “Deutschland, wir weben dein Leichentuch / wir weben hinein den dreifachen Fluch / wir weben, wir weben”. Das schrieb er von Frankreich aus; die Zensur und ihre Folgen im deutschen Vormärz waren streng.
Die Textilindustrie am Eulengebirge florierte nach dem Aufstand noch hundert Jahre lang. Heute stehen einige der Fabrikantenvillen noch, ebenso die Gebäude der ehemaligen Dierig-Werke, lange Zeit das größte Textilunternehmen in Schlesien. Die alten Fabrikgebäude stehen aber leer und verfallen.
Auch Langenbielau ist ein langgestreckter Ort, der sich von Reichenbach (Dzierżoniów) über mehr als acht Kilometer am Flußlauf der Biele (Bielawica) hinzieht. Ein echtes Zentrum gibt es daher nicht, höchstens den Plac Wolności (Freiheitsplatz), an dem es ein enges Nebeneinander von Alt und Neu (bzw. eigentlich von Alt und Auch-nicht-mehr-so-ganz-Neu) gibt.
Hier steht auch der Eulenbrunnen, der auf das nahegelegene Eulengebirge verweist.
Die Hauptstraße durch den Ort ist aktuell über weite Strecken Baustelle. Da wundert auch das Einfahrt-Verboten-Schild nicht, aber erstaunlich ist, daß es erst hier steht, denn wer es über Gräben und Steinhaufen bis dahin geschafft hat, der schafft den Rest bestimmt auch noch.
Das Eulengebirge ragt hier eigentlich immer im Hintergrund auf; die Weberdörfer liegen unmittelbar am nordöstlichen Abhang des Gebirges, das zu den Mittelsudeten gehört. Die sind hier zweigeteilt: Zwischen Eulen- und Heuscheuergebirge liegt eine breite Senke, das Steinetal. Alles Landschaftsbezeichnungen, die unsere im Westen groß gewordene Nachkriegsgeneration vermutlich noch nie gehört hat. Ich kannte die, obwohl ich viel Zeit mit der Nase in Atlanten und Landkarten verbracht habe, auch nicht, bis ich mit der Reiseplanung für die Riesengebirgs-Tour 2022 losgelegt habe. Damit man eine Vorstellung bekommt, hier ein Bild vom Eulengebirge bei Langenbielau: