Ich setze mal das Brandenburger Tor, den Reichstag und den Potsdamer Platz als bekannt voraus, ebenso die Museumsinsel mit Dom und Humboldt-Forum. Daher treibt sich der Reisehase zwar auch an der Spree herum, aber mal etwas abseits von Berlin-Mitte.
Startpunkt: Die Nalepastraße in Oberschöneweide. In Berlins Südosten ist teils recht viel Industrie angesiedelt: Ein ICE-Werk, der Betriebsbahnhof Rummelsburg, eine Zementfabrik usw. Na toll – der Reisehase fährt nach Berlin und zeigt dann irgendwelche Industriebrachen in der unattraktivsten Ecke der Stadt? Nein, so ist das nicht; es gibt dort nicht nur die eine oder andere Geschichte zu erzählen, sondern auch denkmalgeschützte und bemerkenswerte Bauten. Zum Beispiel das 1925-29 errichtete Heizkraftwerk Klingenberg.
Nicht weit entfernt steht das Alte Kraftwerk Rummelsburg, ebenfalls in Backsteinoptik:
Außerdem ist längst nicht das gesamte Spree-Ufer von Industrieanlagen gesäumt.
Es gibt auch sehr nette (und ziemlich sicher sehr unerschwingliche) Wohnanlagen mit Blick auf die Spree.
Außerdem ist viel Raum für Parks, Grünanlagen und Wasserflächen. Die Spree bildet hier eine langgezogene Bucht, den Rummelsburger See.
Auch die für Berlin so typischen Kleingartenanlagen finden sich hier.
Die Kleingärten brauchen inzwischen allerdings vielerorts selbst einen Schutz, denn die aktuelle, immens angespannte Wohnraumsituation in der Hauptstadt weckt Begehrlichkeiten: Man beginnt schon, die Flächen der Kleinanlagen in Wohnungen umzurechnen und fordert, die Areale zu bebauen.
Nebenbei: Der von der Wetter-App für heute angekündigte Dauerregen bleibt aus. So läßt sich dieser Februartag ganz prima ertragen, zum Beispiel am Rummelsburger See am Paul-und-Paula-Ufer, das so heißt, weil hier wesentliche Szenen des 1973 produzierten DEFA-Spielfilms “Die Legende von Paul und Paula” gedreht wurden.
Am Ostufer der Spree im Bezirk Treptow-Köpenick, noch zum Ortsteil Oberschöneweide gehörend, steht der Gebäudekomplex des alten, 1952-56 erbauten Funkhauses Nalepastraße, wo von 1956 bis 1990 der Rundfunk der DDR residierte. Architekt war Franz Ehrlich, am Bauhaus ausgebildet und Schüler von Walter Gropius.
Ansicht des Funkhauses vom anderen Spreeufer:
Und wer genau hinschaut, sieht unten rechts ein seltsames Gebäude. Wenn man heranzoomt, sieht das so aus:
Das ist kein Ufo, sondern Futuro, ein mobiles Wohngebäude, das die finnischen Designer Matti Suuronen und Yrjö Ronkka 1967 vorstellten: Eine glasfaserverstärkte Polyesterhülle auf einem Stahlring mit Stahlfüßen, Fenster aus Polycarbonat, knapp 50qm Wohnfläche, Anlieferung per Hubschrauber. Das Futuro war ein Meisterwerk des Designs, aber als Wohngebäude ziemlich unpraktisch, denn die gebogenen Wände machten das Aufstellen herkömmlicher Möbel fast unmöglich. Es war daher auch eher als Skihütte oder Wochenendhaus gedacht. Einige Exemplare wurden gefertigt, verkauft und bewohnt (das Berliner Futuro trägt die Seriennummer 13), aber die eventuell erhoffte Massenproduktion kam nie zustande. Schade eigentlich; das Gebäude gefällt mir außerordentlich gut, und so eine ganze Vorortsiedlung aus aufgereihten Futuros stelle ich mir witzig vor. In Deutschland haben sich noch ein paar andere Futuros erhalten, unter anderem steht eines in München in der Pinakothek der Moderne. Und titelbildfähig ist das Futuro auch, wie ein Griff in meine Bibliothek zeigt:
Direkt gegenüber: Der Spreepark. Der vor einigen Jahren geschlossene Vergnügungspark rottet am Rand des Plänterwaldes, einem großen Waldgebiet am linken Spreeufer, vor sich hin. Der Park wurde als Kulturpark Berlin 1969 eröffnet, nach der Wende in Spreepark umbenannt und 2002 im Zuge einer betrügerischen Insolvenz geschlossen. Seitdem verfällt der Park bzw. das, was noch dort ist (der letzte Besitzer hatte sich 2001 mit sechs demontierten Fahrgeschäften im Reisegepäck nach Peru abgesetzt) und nicht diversen Brandstiftern zum Opfer fiel. Ein beliebtes Reiseziel ist der Spreepark heute vor allem für Lost-Places-Photojäger. Das Betreten des bewachten Geländes ist aber eigentlich verboten.
Ein Kommentar zu „Berlin: Entlang der Spree“