Karlsruhe

Ich sende mal ein Lebenszeichen und erkläre die Winterpause für beendet. Die hätte eigentlich deutlich kürzer sein sollen, aber für echte Photo-Touren waren weder der vorherrschende Nieselregen noch der dauergraue Himmel geeignet.

Das Wetter ist zwar auch an diesem Wochenende mies, aber jetzt wurde der Reisehase dann doch zu zappelig. Das erste Tourenziel 2019 ist nur einen Hasensprung von meinem Haus im badischen Exil entfernt und dürfte zudem den meisten Lesern auch gut bekannt sein. Daher erzähle und zeige ich hier nun wirklich nichts spektakulär Neues, und die Tour wird auch dann nicht exotisch, wenn ich sie als Ausflug zu den Pyramiden deklariere. Aber egal.

Karlsruhe also. Falls jemand die Stadt noch nicht kennt: Ist schon ne Hübsche. Da lohnt sich ein Besuch.

Karlsruhe hat keine sehr lange Geschichte: 2015 feierte man hier den erst 300. Stadtgeburtstag. Markgraf Karl III. Wilhelm von Baden, dessen Residenz sich im heutigen Stadtteil Durlach befand, ließ ab 1715 in der flachen Landschaft des Rheintals ein neues Residenzschloß mit dazugehöriger Planstadt errichten.

Die neue Residenz entstand auf einem Grundriß, der das Selbstverständnis eines absolutistischen Herrschers der Barockzeit, wie es Karl war, perfekt widerspiegelte: Im Mittelpunkt eines großen Kreises steht wie eine Sonne das Residenzschloß, von dem 32 Wege in alle Richtungen abgehen wie Sonnenstrahlen. Vorbild Karl Wilhelms war zweifellos Ludwig XIV.

Dieser Grundriß ist noch immer im Karlsruher Straßenbild abzulesen. Der Kreis um das Schloß herum existiert noch (eigentlich sind es sogar zwei Kreise, ein innerer mit einem Durchmesser von etwa 900 Metern und ein äußerer, allerdings nicht ganz vollständiger mit einem Durchmesser von etwa 2,2 Kilometern), ebenso die strahlenförmig vom Schloß wegführenden Straßen und Wege. Und weil nur die untere, südliche Hälfte der Kreisfläche bebaut ist (die Nordhälfte wird zum großen Teil von Grünflächen wie dem Schloßpark, dem Wildpark und dem Hardtwald eingenommen), nennt sich Karlsruhe heute “Fächerstadt”, weil der Stadtplan nun mal so aussieht.

Die Bauarbeiten am Schloß begannen 1715, aber erst ab 1752 entstand, unter Mitwirkung auch von Balthasar Neumann, die heutige Dreiflügelanlage. Die Arbeiten zogen sich durch fast das gesamte 18. Jahrhundert; kein Wunder bei der Größe:

Im Zentrum der Stadt, auf der vom Schloß ausgehenden zentralen Nord-Süd-Achse, liegt der Marktplatz mit der knapp sieben Meter hohen Sandstein-Pyramide, die heute das Wahrzeichen Karlsruhes ist. Sie wurde 1825 über dem Grab des 1738 verstorbenen Stadtgründers errichtet.

Ein paar Jahre war die Pyramide hinter Gerüsten versteckt, weil der Marktplatz und überhaupt fast die gesamte Innenstadt eine einzige Baustelle waren. Karlsruhe ist seit 2010 dabei, die Straßenbahn teilweise unter die Erde zu verlegen. Durch die Kaiserstraße, die quer verlaufende Ost-West-Achse der Innenstadt, fahren die Bahnen weiterhin oberirdisch im Minutentakt.

Am Marktplatz stehen neben der Pyramide auch das Rathaus und die klassizistische Stadtkirche; beides Entwürfe von Friedrich Weinbrenner, der uns in Kehl schon begegnet ist.

Die Pyramide findet sich im Stadtbild übrigens noch häufiger: Am Rand des Schloßparks zum Beispiel als Lichtpyramide…

…und in diversen Schaufenstern als Schokoladenpyramide:

Im Schloßgarten ist übrigens auch die Institution untergebracht, dank der Karlsruhe regelmäßig in den Nachrichten auftaucht: Das Bundesverfassungsgericht residiert in einem funktionalen und schmucklos-strengen 60er-Jahre-Bau:

Wie man vor allem in den bei Tageslicht aufgenommenen Bildern sieht, war das Wetter heute wirklich schlecht. Aber wenigstens in der Dämmerung fällt das gar nicht mehr so auf.

Tauberfranken

Ein sonniger Novembersonntag – da fällt die Entscheidung nicht schwer: En route! Und wieder geht es hinüber nach Franken, dieses Mal aber an die Tauber, also – im Vergleich zu Mittelfranken – weiter nordwestlich. Tauberfranken gehört sprachlich und historisch zwar zu Franken (was angesichts des Namens nicht überraschen sollte), liegt aber zum großen Teil im heutigen Baden-Württemberg.

Und so sieht es da aus:

In Uissigheim (den Anlaut spricht man als Ü aus), einem kleinen Dorf auf einem Höhenrücken südlich des Taubertals, stehen am Ortsrand noch alte Grünkern-Darren, in denen das für die Region typische Getreide (Dinkel) getrocknet wurde.

Uissigheim ist aber nicht nur für den Grünkern bekannt, sondern auch ein Weinort, woran dieses Faß erinnert.

Im Herbst ist der Reisehase besonders gut getarnt.

An der Tauber liegt die Kleinstadt Tauberbischofsheim, was ich jetzt mal mit TBB abkürze, damit der Text keine Überlänge bekommt. TBB hat im Zentrum viel Fachwerk zu bieten (jaja, schon wieder Fachwerk…), so wie hier am Marktplatz mit dem Marktbrunnen.

Ebenfalls in der Innenstadt steht das alte Kurmainzische Schloß, das im 16. Jahrhundert an der Stelle einer mittelalterlichen Stadtburg errichtet wurde. Der Brunnen am Schloßplatz wurde vor kurzem neu gestaltet und mit mehreren Bronzefiguren ausgestattet. Da fühlt sich der Reisehase aber mal ausgesprochen wohl. ?

Es sind aber nicht die Baudenkmäler, die TBB deutschlandweit bekannt gemacht haben. Der von Emil Beck gegründete Fecht-Club TBB gehört zu den weltweit erfolgreichsten Fechtvereinen. Die Fechter aus TBB gewannen zahlreiche Titel bei internationalen Wettkämpfen, darunter zum Beispiel 114 Medaillen bei Weltmeisterschaften und 40 bei Olympischen Spielen. 1988 in Seoul belegten die deutschen Florett-Damen Anja Fichtel, Sabine Bau und Zita Funkenhauser die Plätze eins, zwei und drei, und alle drei kamen vom Fecht-Club aus TBB. Heute ist TBB Olympiastützpunkt (bzw. nennt sich seit 2018 “Bundesstützpunkt Fechten”); die Emil-Beck-Halle, benannt nach dem 2006 verstorbenen Vereinsgründer und Förderer, steht am Stadtrand.

Südlich von TBB steht das Prämonstratenserkloster Gerlachsheim.

Und nördlich das Zisterzienserkloster Bronnbach. Das fehlte mir noch in meiner Liste, und es war allerhöchste Zeit, diese Lücke endlich zu schließen.

Die Klosteranlage ist weitgehend erhalten, wenn auch bedingt durch spätere Wirtschaftsbauten der eigentliche Grundriß des Klosters nicht mehr direkt erkennbar ist. Eine barocke Parkanlage mit Brunnen und Figurengruppen ist ebenfalls auf dem Gelände angelegt.

Leider bin ich ein, zwei Wochen zu spät; von November bis März ist die Klosterkirche nämlich für Besucher geschlossen. Durch das einen Spalt weit offene Hauptportal kann man aber zumindest einen Blick ins Kirchenschiff werfen.

Tauberabwärts liegt Wertheim, die nördlichste Stadt Baden-Württembergs, eine Burgsiedlung am Fuß der hoch über den Flußtälern thronenden Burg Wertheim aus der Stauferzeit. Seit einer Pulverexplosion im Dreißigjährigen Krieg ist sie Ruine (die Burg, nicht die Stadt), aber dennoch das Wahrzeichen Wertheims.

Hier mündet die Tauber (links) in den Main (rechts), der hier die Grenze zwischen Baden-Württemberg (links) und Bayern (rechts) markiert.

Kürnbach

Kürzlich wurde angemerkt, der Kraichgau wäre, obwohl ja so nah, hier deutlich unterrepräsentiert. Das läßt sich ändern. Zum Beispiel bei einer Tour dorthin, wo dieses vorzügliche Getränk herkommt:

Kürnbach ist nämlich bekannt als Schwarzriesling-Dorf. Im Französischen heißt die Rebsorte Pinot Meunier, im Deutschen wird sie auch Müllerrebe genannt.

In Kürnbach und um Kürnbach herum bietet sich also eine Wanderung durch die Weinberge an. Die offizielle Kürnbacher “Wandern mit Wein”-Veranstaltung findet zwar erst am 9. September statt, aber warum warten?

Von den Weinbergen aus sieht man aber nicht nur die Hügellandschaft des Kraichgaus, sondern hat auch immer wieder einen Blick ins Tal, in dem Kürnbach liegt.

Im hübschen Ortskern bietet Kürnbach typische Weindorf-Atmosphäre, mit engen Gassen und viel, viel Fachwerk.

Und die Weinlese hat auch schon begonnen.

Eine Besonderheit von Kürnbach: Das kleine Dorf gehörte über Jahrhunderte zu zwei verschiedenen Staaten: Zur Grafschaft Hessen und zum Herzogtum Württemberg. Kondominat nannte man sowas. Die territoriale Zersplitterung des Reiches wurde hier also auf die Spitze getrieben, denn Hessen und Württemberg unterhielten jeweils eigene Verwaltungen. Als 1810 die Länder neu geordnet wurden und zahlreiche Mikro-Fürstentümer von der Landkarte verschwanden, übersah man das kleine Kürnbach wohl, denn die Teilung blieb erhalten (nur daß der württembergische Teil – ausgerechnet – zum Großherzogtum Baden kam). Jedenfalls gab es im Ort mit seinen höchstens tausend Einwohnern weiterhin zwei Bürgermeister. Erst 1903 gab Hessen den Anspruch auf den Ort auf, und Kürnbach wurde komplett badisch, nach Unterzeichnung eines hochoffiziellen Staatsvertrages zwischen Baden und Hessen-Darmstadt. Ablesen kann man die Jahrhunderte der Teilung des Ortes heute noch daran, daß es zwei Kelterhäuser gibt: Eine Hessen-Kelter und eine Baden-Kelter.

Gefällt es hier in Baden-Hessen: Lapin Pinot Meunier.