“Being Irish, he had an abiding sense of tragedy, which sustained him through temporary periods of joy.”
(William Butler Yeats)
Das war dann hiermit die Irland-Tour: Viereinhalb Tage Belfast und der Norden, plus anschließend ein Tag Dublin. Das Besuchsprogramm war ziemlich umfangreich; das haut dann sogar mal den stärksten Reisehasen um.
An der Länge der Texte (und hoffentlich auch am Tonfall) konntet Ihr sehen, daß Irland so eine Art Herzensangelegenheit für mich ist, und das ist es schon sehr lange.
“I’ve been loving you a long time
Down all the years, down all the days
And I’ve cried for all your troubles
Smiled at your funny little ways”
(The Pogues)
Deshalb wird dann auch das Fazit nun alles andere als kurz.
Der Schwerpunkt der Tour lag auf Belfast, und hier vor allem auf der jüngeren Geschichte, auf den “Troubles”, die das Land geprägt haben.
Der Nordirlandkonflikt, ich erwähnte das schon, war nie ein Religionskonflikt. Es ging immer um mehr: Um Identität, Selbstverständnis, entweder irisch-republikanisch oder britisch-unionistisch. Und 1969 war das Hauptanliegen der zunächst friedlich demonstrierenden Iren auch kein religiöses, sondern ein politisches; letztlich ging es um Teilhabe und Gleichberechtigung – es war 1969 eine Bürgerrechtsbewegung, kein Aufstand religiöser Fanatiker, auch wenn das gerne so vereinfacht dargestellt wird. Auf den Murals in West Belfast gibt es aber z.B. so gut wie keine religiöse Symbolik.
Seit 1998 herrscht nun Frieden in Nordirland, was damals selbst diejenigen, die das Karfreitagsabkommen aushandelten, wohl so nicht zu hoffen wagten. Aber es wurde von einer überwiegenden Mehrheit im Rahmen einer Volksabstimmung angenommen und brachte tatsächlich weitgehende Ruhe ins Land. Eigentlich alle, mit denen ich rede, auch Paul und Mike, die Führer durch West Belfast, sagen dazu sinngemäß: Das Abkommen “is not perfect, but it works”.
In West Belfast leben aber weiter beide Gruppen nebeneinander, nicht miteinander; die Segregation dauert an. Aber entscheidend ist, daß keine Menschen mehr ermordet werden, und daß die alten Konfliktparteien, IRA und UVF vorweg, die Waffen niedergelegt haben. Man sollte aber nicht zu viele Illusionen haben: Waffen, Munition und Sprengstoffe, die aus dem Libanon oder Südafrika auf dunklen Wegen ihren Weg nach Nordirland fanden, sind noch im Land, irgendwo. Und noch sind nicht alle Ziele erreicht:
“Proudly march behind our banners
Firmly stand behind our men
We will have them free to help us
Build a Nation once again”
(Paddy McGuigan, The men behind the wire)
Es ist also Ruhe eingekehrt, aber ganz entspannt ist das alles nicht. Das Eis ist weiterhin dünn. Dafür ist in 30 Jahren Bürgerkrieg viel zu viel passiert, um das innerhalb einer Generation komplett zu vergessen. Und nun kommt (vielleicht) der Brexit, der gerade für Nordirland ein Riesenproblem darstellt, vor allem in Verbindung mit einer DUP, die als Regierungspartei eine verheerende Klientelpolitik für ihre pro-britischen Anhänger macht und jeglichen Lösungsansatz in der Grenzfrage sabotiert. Deshalb war der Zeitpunkt der Reise, der März 2019, auch nicht zufällig so gewählt: Wer weiß, wie das weitergeht…
Aber es wäre total falsch, Belfast nur auf die “Troubles” zu reduzieren, wie das ja leider hier in der öffentlichen Wahrnehmung noch immer der Fall ist. Belfast ist definitiv eine Reise wert. Nicht unbedingt, weil es als Stadtensemble von atemberaubender Schönheit wäre. Aber das Titanic Quarter ist sehenswert (und soll in den kommenden Jahren noch ausgebaut werden), im Zentrum gibt es viel zu sehen, die Shopping-Möglichkeiten sind gut und die Auswahl an Pubs und Restaurants ist riesig. Und mit West Belfast existiert ein Stadtteil, der einzigartig ist und eine ganz eigene Geschichte erzählt (auch wenn sie in weiten Teilen nicht schön ist). Aber gesehen haben sollte man das schon mal, vor allem, weil die Peace Wall ja immer noch eine aktive Funktion besitzt und kein museales Bauwerk ist (ein Fakt, den viele gar nicht mehr auf dem Schirm haben).
Und auch außerhalb Belfasts ist der Norden Irlands auf jeden Fall einen Besuch wert; die Nord- und Ostküste steht den anderen irischen Küstenregionen in nichts nach. Wem der Ring of Kerry gefällt oder die Westküste in Connemara, der wird sich auch auf der Antrim Coast Road wohlfühlen.
“Erin stands proudly insular, on her steep shore
And strikes her high harp ‘mid the ocean’s deep roar”
William Drennan (When Erin first rose)
Und für Fans von “Game of Thrones” werden ja inzwischen sogar spezielle Touren angeboten, auf denen man dann die ganzen Orte der Filmhandlung sehen kann: Die Stelle, an der der Eine diesen Anderen getroffen hat, den Weg, den dieser… Dings… nach Narnia geritten ist, und natürlich die Burg von Gargamel. Oder so.
Für Dublin blieb bei dieser Tour vielleicht etwas wenig Zeit, aber eigentlich gehört die Stadt auch an den Beginn und das Ende oder gleich ins Zentrum einer eigenen Tour durch den Süden Irlands, die ich für die Zukunft ohnehin schon auf dem Programm habe. Es hat aber wenigstens für einen ausführlichen Stadtrundgang gereicht.
Die Iren sind ausnahmslos mindestens mal höflich, meistens aber sehr freundlich, wenn nicht sogar herzlich. Auch das macht das Land zu einem guten Reiseziel. Ich wäre da vermutlich auch schon mal mit dem Auto hin und hätte alle Zisterzienserklöster abgeklappert (es gibt etwa 50), wenn die dort bloß auf der richtigen Straßenseite fahren würden.
Essen und trinken kann man, wie eigentlich überall auf den britischen Inseln, durchaus gut; das Essen in Pubs und Restaurants ist deutlich besser als sein Ruf, und warum das auf den Inseln gebraute Bier hierzulande so miesgemacht wird, habe ich noch nie verstanden. So was wie ein frisch gezapftes Dark Ale, ein Porter oder ein Stout geht man nämlich hier erstmal suchen. Einem Weißbier oder gar einem Kölsch (würg) ziehe ich jedes englische Bier vor.
Und außer Bier gibt es ja auch noch andere Getränke. Da darf dann ausnahmsweise der Begleiter des Reisehasen auch mal aufs Bild.
Die Dubliner Pubs, speziell im Viertel Temple Bar, sind ja ohnehin legendär; und die Zeit für ein Pint hab ich mir natürlich auch genommen, bei live gespielter irischer Musik (die Musik war super, aber es war da schon nach 23 Uhr und an einem Montagabend, daher die eher spärlich besetzten Ränge).
An Whiskey habe ich nicht so viel probiert; mit kleineren Distillerien und ihren Produkten, speziell Teeling (aus Dublin) und Clonakilty, muß ich mich demnächst nochmal intensiver beschäftigen. Und die mitgebrachte Flasche ist kaum größer als ein kleiner Reisehase. Der jedenfalls probiert jetzt mal, wie das Mitbringsel aus Bushmills so schmeckt. Sláinte!
Und vielen Dank, Éire. Du bist großartig. 💚 Und hier kann man das auch hören (Link auf Youtube): The Auld Triangle.
“On a fine Spring evening
The lag lay dreaming
And the seagulls were wheeling
High above the wall
And that auld triangle went jingle-jangle
All along the banks of the Royal Canal”