Bliesgau

Provence? Toskana? Nee. Saarland!

So schön ist es im Bliesgau.

Hier ist die südöstliche Ecke des Saarlandes findet man eine sanft gewellte Landschaft, mit Feldern und Streuobstwiesen, und dazwischen tief eingeschnittene Bachtäler und das Tal der namensgebenden Blies.

Der Bliesgau ist eine alte Kulturlandschaft, die fast immer eine Grenzregion war und mehrfach die staatliche Zugehörigkeit wechselte. Heute ist die Blies zwischen Reinheim und Saargemünd der Grenzfluß zwischen Frankreich und Deutschland, was man aber dank offener Grenzen kaum noch spürt. Einige Brücken verbinden beide Länder miteinander, zum Beispiel die Freundschaftsbrücke zwischen Habkirchen (Saarland) und Frauenberg (Frankreich).

In den Bachtälern finden sich zahlreiche Mühlen, so wie die 1731 erbaute Moulin d’Eschviller zwischen Volmunster und Brenschelbach, eine von mehreren Mühlen an der Schwalb.

Der Bliesgau ist ziemlich dünn besiedelt, außer der Stadt Blieskastel, die am Rand liegt, sind die Orte meist recht klein und bestehen bisweilen  nur aus einer handvoll Häuser: Peppenkum hat zum Beispiel 350 Einwohner, Pinningen 240, Utweiler 50. Vielerorts haben sich noch alte Kirchen erhalten. Eine davon zählt zu den schönsten Dorfkirchen des Saarlandes: Die Stephanskirche in Böckweiler.

Der außergewöhnliche Bau mit dem Dreikonchenchor stammt aus dem 12. Jahrhundert. Das Kirchenschiff und die Westfassasde sind deutlich schlichter als der Chor.

Der Innenraum ist hübsch, zeigt aber auch, daß Böckweiler nie ein wirklich einwohnerreiches Dorf war (heute sind es knapp 350). Viel größer als das, was es da auf dem Bild zu sehen gibt, ist das Kirchlein nämlich nicht.

Ebenfalls eine Schönheit: Sankt Markus in Reinheim, mit dem außergewöhnlichen Rundturm als Glockenturm, der noch aus dem 11. Jahrhundert stammt.

Es gibt aber in der Gegend auch moderne Kirchenbauten. Der außergewöhnlichste steht wohl in Herbitzheim: Sankt Barbara, 1974-75 erbaut.

Sehr hübsch, vor allem von außen. Der Innenraum ist leider etwas dunkel, aber so kommen die bunten Betonglasfenster besonders gut zur Geltung.

Auf der anderen Seite der Blies, in Blies- Ébersing, gab es lange gar keine Kirche. Bis die Einwohner selbst eine errichteten. Und der Lapin Voyageur grüßt von dort. ?

In Walsheim, wieder auf deutscher Seite, ist noch ein Ortsschild zu sehen aus einer Zeit, in der der Ort selbständige Gemeinde war – und das Saarland noch das Saargebiet.

Walsheim war seit 1848 Standort einer großen Brauerei.

Davon hat sich aber nur der obige Keller erhalten. Die Brauerei gibt es nicht mehr; das liegt aber nicht an wirtschaftlichen Gründen oder dem Aufkauf durch Konkurrenten: 1939 lag Walsheim unmittelbar an der Front. Der Ort wurde direkt in den ersten Kriegstagen beschossen und teilweise zerstört (die Einwohner des Ortes waren kurz zuvor evakuiert worden). Das war das Ende der Brauerei, die danach nicht wieder auflebte. Der Brauhausturm, ein bedeutendes Baudenkmal im Bauhausstil, wurde erst 1981 abgerissen. Im Europäischen Biermuseum im französischen Stenay ist Walsheim aber immerhin noch vertreten.

Aime le Bliesgau: Lapin Voyageur.

Mettlach

Die Saar ist aber nicht nur in Saarburg schön (und hat dort ja den kleinen, aber spürbaren Makel, daß sie nicht mehr im Saarland ist, sondern nur noch in Rheinland-Pfalz… ?). Sehr schön, und auf saarländischem Boden, ist auch Mettlach, saarabwärts am Ende der berühmten Saarschleife gelegen. 

Hier steht eine große Benediktinerabtei, die vom Heiligen Lutwinus im Jahr 676 gegründet wurde. Lutwinus war Bischof von Trier und wohl auch von Reims und Laon. Er wurde in der von ihm gegründeten Abtei beigesetzt; sein Grab wurde zum Ziel einer Wallfahrt, die auch heute noch jährlich in der Woche vor Pfingsten stattfindet. Eigentlich können die Wallfahrer dann ja direkt nach Echternach hüpfen.

In der Französischen Revolution wurde das Kloster aufgelöst. Kurz zuvor, nämlich in der ersten Hälfte des 18. Jahrhunderts, hatte die Abtei sich noch einen kompletten Neubau durch den Barockbaumeister Christian Kretzschmar geleistet. Der barocke Gebäudekompmex wurde vor der Zerstörung gerettet, weil 1801 der Keramikhersteller Villeroy & Boch hier einzog und dort bis heute residiert; nur wenige deutsche Unternehmen können wohl ein derart repräsentatives Hauptgebäude vorweisen.

Direkt nebenan im Abteipark steht das älteste Gebäude des Saarlandes: Der Alte Turm, um 990 als Grabkapelle für Lutwinus errichtet, ist der ottonischen Pfalzkapelle in Aachen nachempfunden.

Hier wiederum direkt nebenan steht der “Erdgeist”, ein Werk des Künstlers André Heller, der auch für “Rhein in Flammen” verantwortlich zeichnet. Die Keramiken der Mosaiktafeln wurden bei Villeroy & Boch hergestellt. Natürlich.

Und hier direkt nebenan steht der “Homo Ceramicus Mettlachiensis” des Niederländers Joris van der Mijnsbrugge aus dem Jahr 1974.

Hier nebenan stehen dann nur noch Hecken.

Schön ist’s im Abteipark, findet der Lepus Peregrinus Mettlachiensis:

Abends gibt’s dann im Brauhaus noch was Deftiges aus der traditionellen saarländischen Küche: Zwo Gefillde mit Sauerkraut. 

Siersburg

Aus der Reihe: Schönes Saarland.

Die Siersburg liegt auf einem Bergvorsprung hoch über dem Saartal. Von hier konnten die Burgherren (zunächst die Saargaugrafen, die die Burg um 1100 anlegten, später dann die Grafen von Saarbrücken) das Saartal und die dort verlaufenden Handelswege überwachen. Wir haben das hier mal historisch exakt nachgestellt:

Auch die Niedmündung bei Rehlingen und die Primsmündung bei Dillingen (im ersten Bild oben ist die Dillinger Hütte zu sehen) lagen im Blickfeld der Höhenburg. Hier der Blick zur vom Saartal abgewandten Seite, nach Westen ins Niedtal:

Die Burg ist Ruine, seit sie 1677 von französischen Truppen gesprengt wurde und anschließend verfiel. Auf dem weitläufigen Burgplateau stehen noch verschiedene Mauerreste und ein Burgturm.

Die strategische Lage macht die Siersburg heute zu einem schönen Aussichtspunkt mit Rundumsicht. Im Vordergrund liegt Rehlingen, dahinter fließt die Saar, dahinter liegt Beckingen. In der Bildmitte hinten der 414m hohe Litermont.

Eingebettet ist die Burg in die typische (und sehr schöne) Landschaft des Saargaus mit den charakteristischen Streuobstwiesen.

Im Sommer geht’s rund an der Siersburg: Im Burghof findet Anfang Juli das Burgfest statt. Und es gibt im Sommer auch ein Open-Air-Kino (“Herr der Ringe” hab ich hier mal gesehen). An normalen Tagen wie heute ist es deutlich ruhiger; da fehlt hier oben eigentlich nur noch etwas Gastronomie… ?

Heureux même sans restau: Lapin Sarrois.

Köllerbach

Heimspiel für den Reisehasen. 

Na? Schön, oder? Da merkt man gar nicht, daß man sich mitten in einer Industrieregion befindet. Das ist die Martinskirche in Kölln (das doppel-L ist kein Schreibfehler!), einem der sechs Orte (neben Engelfangen, Sellerbach, Rittenhofen, Etzenhofen und Herchenbach), aus denen 1931 die Gemeinde Köllerbach gebildet wurde. 

Der Ort hat heute etwa 8.500 Einwohner und ist als Ringer-Hochburg bekannt: Der KSV wurde zwischen 1966 und 2009 sechsmal Deutscher Meister und erreichte auch in diesem Jahr den Vizemeistertitel.

Alle die genannten Orte liegen im Tal des, na klar, Köllerbachs zwischen Heusweiler und Püttlingen und waren ursprünglich winzige, aus nur wenigen Haushalten bestehende Bauerndörfer. Diese wandelten sich ab etwa 1850 zu Bergbauorten und wuchsen stark an (die Grube Viktoria im benachbarten Püttlingen gehörte zu den größten Bergwerken des Saarlandes). 
Eine Folge dieser Entstehungsgeschichte: Ein echtes Ortszentrum gibt es nicht; Köllerbach erstreckt sich entlang der Hauptstraßen, vor allem im Bachtal. So etwas wie eine zentrale Funktion nimmt der Burgplatz ein. Hier steht direkt am Köllerbach die Ruine der Burg Bucherbach, einer Talburg aus dem 13. Jahrhundert.

Hier bin ich als kleines Kind schon rumgehüpft. ? 

Wenige Meter entfernt ist in einem typischen südwestdeutschen Bauernhaus das saarländische Uhrenmuseum untergebracht. In dem Haus befand sich eine Uhrmacher-Werkstatt, die komplett erhalten ist.

Die oben erwähnte Martinskirche steht ebenfalls nicht weit entfernt von der Burg. Sie stammt aus dem 13. Jahrhundert und zählt somit zu den ältesten Dorfkirchen des Saarlandes. Und zu den schönsten.

Im Chor haben sich noch alte Wandmalereien erhalten.

Dahemm: Lapin Sarrois.

Der Stiefel

Ich glaube, so ziemlich jedes saarländische Schulkind ist mindestens einmal hierher geschleppt worden: Zum Stiefel, einer markanten Sandsteinformation auf einem Bergrücken im Wald bei Sengscheid, einem Stadtteil von St. Ingbert. Neben der Saarschleife dürfte der Stiefel wohl das bekannteste Naturdenkmal des Landes sein.

Ziemlich sicher war dieser markante Felsen schon in der Steinzeit eine Kultstätte.

Für den Größeneindruck: Der untere Teil hat einen Umfang von etwa 5 bis 6 Metern.

Ein weiterer Stein, der (allerdings von Menschenhand geformte) sog. Teufelstisch, steht nur ein paar Meter entfernt. 

Perfekt getarnt, da farblich sehr passend zum Rotbraun des Sandsteins: Lapin de grès.

Spellenstein

Jetzt wird’s steinig.

Das Saarland hat nämlich – selbstverständlich – nicht nur Industriekultur zu bieten. Etwa 3.800 Jahre alt ist der Spellenstein, ein mehr als 5m hoher Menhir aus der Jungsteinzeit. 

Er wurde um 1800 v. Chr. errichtet und steht heute im St. Ingberter Stadtteil Rentrisch – in einem Vorgarten.

Sankt Ingbert

Neben der Eisenindustrie, dem Bergbau (mit dem Rischbachstollen gibt es auch ein Besucherbergwerk) und der Glasindustrie (die Vopelius’sche Glashütte wurde leider vor einigen Jahren abgerissen) prägte noch eine andere Branche die Stadt.

Dieses Symbol kennt man als Saarländer: Es stand für die Brauerei Becker, eine von gleich mehreren Brauereien dee Stadt.

1877 gegründet, zählte Becker zu den größten Brauereien der Region und exportierte weltweit. 1989 wurde die Firma dann von Karlsberg übernommen; Becker’s Pils zwar wird weiterhin produziert, aber nicht mehr in St. Ingbert.

Der auf dem Logo abgebildete Beckerturm ist heute das Wahrzeichen der Stadt. Der 41m hohe Sudhausturm ist ein Entwurf des Stuttgarter Architekten Hans Herkommer; er wurde 1925-28 errichtet, folgt unübersehbar den ästhetischen Prinzipien des Bauhauses und zählt zu den wichtigsten Denkmälern der Industriearchitektur im Saarland.

Fast zeitgleich entstand die Kirche St. Hildegard, die ebenfalls Anleihen an die Industriearchitektur nimmt.

Weniger hübsch allerdings (finde ich jedenfalls): Das Rathaus der Stadt.

Immerhin steht davor diese hübsche Skulptur.

Was bietet die Stadt noch? Das Geburtshaus des expressionistischen Künstlers Albert Weisgerber:

Und manches bleibt rätselhaft. ?

Sankt Ingbert: Alte Schmelz

Östlich von Saarbrücken liegt die 36.000-Einwohner-Stadt St. Ingbert. Der Ort ist nach einem etwas mysteriösen Einsiedler namens Ingobertus benannt, von dem nicht nachweisbar ist, ob es ihn überhaupt gegeben hat. Als man die Pfarrkirche errichtete, sollte sie eigentlich wie der Ort den Namen des Einsiedlers tragen, aber das ging nicht, weil Ingobertus nicht im Heiligenverzeichnis steht. Man fand dann einen Heiligen, der zwar nicht das Geringste mit der Stadt zu tun hat, aber zumindest klanglich passend war: So steht nun die hübsche barocke Kirche St. Engelbert im Stadtzentrum.

St. Ingbert zählt zu den frühen Industriestandorten im Saarrevier. Zeugnis hierfür ist die Alte Schmelz, ein 1733 gegründetes Hammerwerk. Mit der Möllerhalle von 1750, die ein wenig an eine Kapelle erinnert, steht hier das älteste Industriegebäude im Saarland.

Zum Werksgelände gehören auch eine Arbeitersiedlung, mehrere Meisterhäuser, Direktorenvillen, ein Hospital, ein großes Schlafhaus und das Herrenhaus der Besitzer des Eisenwerks, der Familie Krämer.

An der alten Schmelz kann man also auch heute noch sehr deutlich ablesen, wie eng Leben und Arbeiten im 19. Jh. miteinander verzahnt waren. Vom Herrenhaus hatten die Besitzer des Eisenwerks den Überblick über das Gelände (auch über die Arbeitersiedlung), und der um 1800 auf die Möllerhalle gesetzte Uhrturm gab den Takt des Arbeitslebens vor.

Zum Ensemble gehören noch weitere Gebäude wie die als Veranstaltungshalle genutzt ehemalige mechanische Werkstatt…

…und das Gebäude der Verbrauchergenossenschaft, ein Kaufladen für Einkäufe des täglichen Bedarfs.

HADIR steht übrigens, natürlich, für “Société des Hauts Fournaux et Acièries de Differdange – St. Ingbert – Rumelange”. Klar, oder?

Schwarzenbergturm

Und noch ein Beitrag aus dem schönen Saarland. Ich eröffne nämlich hier die Wandersaison 2018, und zwar mit einem Heimspiel. Erstes Wanderziel: Der Schwarzenbergturm im Waldgebiet zwischen Saarbrücken und St. Ingbert.

Der 1930-31 errichtete Aussichtsturm war zwischenzeitlich mal gesperrt, wurde dann restauriert und ist jetzt wieder geöffnet. Nach 242 Stufen hat man einen schönen Rundblick. Nach Osten lassen die Wälder gar nicht erahnen, daß man sich hier mitten in einer von Industrie feprägten Region befindet.

Mitten im Wald liegt auch die Universität des Saarlandes:

Das Carrée vorne links ist der BWL-Bau mit dem Audimax; der weiße Turm links ist die Unibibliothek. In beiden Gebäuden habe ich ne Menge Zeit verbracht…

Nach Westen zu blickt man über das dichtbesiedelte Saartal. Vorne der Rodenhof mit der hübschen Albertkirche, dahinter der Ludwigspark und Burbach, im Hintergrund das Kraftwerk Fenne und Völklingen.