Schloß Favorite

Auf dem Rückweg von Kehl hatte ich die Auswahl zwischen einem Aufenthalt im traditionellen Stau auf der A5, der an diesem Sonntagnachmittag durch die Kombination aus Dauerbaustelle, Ferienzeit und Sommerwetter zu ungeahnter Größe angewachsen ist, oder einer weiteren Besichtigung mit einem schönen Eis (Zitrone, Himbeere) in einem schönen Schloßpark. Ich habe mich dann nach sehr kurzem Nachdenken für Letzteres entschieden:

Am Ortsrand von Kuppenheim steht in einem schönen Landschaftspark das Schloß Favorite. Das barocke Lustschloß der Markgrafen von Baden-Baden – das eigentliche Residenzschloß lag (und steht noch heute) etwas westlich in Rastatt – entstand 1710-30 für die Markgräfin Sibylla Augusta von Baden.

Hübsch ist insbesondere die Südwestfassade (siehe oben), vor allem, wenn man am Nachmittag kommt und die Sonne direkt draufscheint. Die heutige Rasenfläche in der Mitte zwischen den zwei Kolonnaden (Orangerien) war zur Zeiten der Markgräfin noch ein Wasserbassin. Auch die rückseitige Nordfassade mit der doppelläufigen Freitreppe kann sich sehen lassen, läßt sich aber am Nachmittag nicht ganz so gut ablichten, weil die Sonne dann halt ungünstig steht. Aber so geht’s.

Kehl

Am Samstag war ich auf einer Geburtstagsfeier in Kappelrodeck. Die ist etwas ausgeufert (ich betone: etwas!), weshalb am Sonntag nur eine gemächliche Halbtagestour zustandekam. Es reichte aber immerhin noch für ein umfangreichen Einkauf diverser lokaler Kulinaria (Obst, Obstsaft, Wein, Marmelade, Likör) in Waldulm bei Kappelrodeck sowie für einen Rundgang durch Kehl.

Am Oberrhein war das Leben am Rhein über Jahrhunderte wegen der sumpfigen Uferregionen und der ständigen Hochwasser zu ungemütlich. Fast alle Siedlungen hielten auf beiden Seiten des Rheins einen gewissen Sicherheitsabstand. Zwischen Basel und Speyer liegen direkt am Rheinufer kaum größere Städte; eigentlich nur Straßburg und Kehl sowie die Festungsstadt Breisach.

Kehl gehört zu den Städten, die gerne mal etwas vorschnell, aber zu unrecht als “nicht hübsch” aussortiert werden und an denen man nur vorbeifährt. Die Innenstadt wurde mehrfach zerstört und besitzt daher heute tatsächlich recht wenig historische Bausubstanz. Aber das Zentrum ist trotzdem interessant: Im frühen 19. Jahrhundert verwirklichte hier der badische Städteplaner und Architekt Friedrich Weinbrenner nach dem Rückbau einer badischen Festung den Entwurf für eine neue Planstadt. Weinbrenner, nach dem der gleichnamige Baustil (ja, genau, der Weinbrenner-Stil) benannt ist, war auch als Baumeister für das heutige Karlsruher Stadtbild verantwortlich und entwarf dort zum Beispiel den Marktplatz und die klassizistische Platzbebauung. Und die Verwandtschaft beider Städte ist trotz starker Veränderungen durchaus noch erkennbar. In Kehl steht noch das sogenannte Weinbrenner-Haus.

Auf dem sehr geräumigen, baumbestandenen und dank mehrerer Cafés gemütlich wirkenden Marktplatz mit der Friedenskirche…

…steht auch das Denkmal mit der “Mutter Kinzig”, einer Bronzefigur, die ursprünglich die Kehler Rheinbrücke zierte und nach Sprengung derselben im deutsch-französischen Krieg ab 1870 mehrere Jahre im Rhein lag, ehe sie geborgen wurde.

Stark profitiert hat Kehl durch die Landesgartenschau 2004.

Im Zuge dessen entstand nicht nur der schöne Garten der zwei Ufer zwischen dem Rhein und einem Altarm des Flusses, sondern auch der 44m hohe Weißtannenturm.

Nach 210 Stufen genießt man das sanfte Schwanken des Turmes und, wenn man sich daran gewöhnt hat, den Blick über die Rheinebene von den Vogesen im Westen bis zum Schwarzwald im Osten. Direkt unterhalb liegen die Kehler Innenstadt, das Parkgelände und die beiden Rheinbrücken, die hinüber ins gelobte Land führen, so daß sich der Reisehase dort oben fühlt wie Moses auf dem Berg Nebo.

Mit dem Unterschied, daß der Reisehase im Gegensatz zu Moses auch ins gelobte Land kommt: Dafür sind die Rheinbrücken ja da.

Eine der Brücken ist die ebenfalls zur Landesgartenschau errichtete Passerelle des Deux Rives, eine Schrägseilbrücke, über die man zu Fuß von Kehl hinüber nach Straßburg kommt und oben in der Mitte der Brücke, zwölf Meter über den Fluß, auf Bänken sitzen und Fluß und Aussicht genießen kann.

Oberschwaben

Nun bin ich nach drei Reisetagen schon wieder zurück. Immerhin ohne Erfrierungen! Aber dafür mit einem Stapel schöner Photos und einigen Orten, die einen weiteren Besuch lohnen. Dazu gehört dann übrigens auch der Gasthof zum Hasen in Renhardsweiler, den ich sehr empfehlen kann. ?

Hier noch, bunt gemischt, ein paar weitere Impressionen aus einer sehr schönen Landschaft:

Zisterzienserkloster Heiligkreuztal:

Prämonstratenserkloster Bad Schussenried. Die barockisierte Klosterkirche des bedeutenden Reichsstiftes ist heute Pfarrkirche.

Die Wallfahrtskirche Steinhausen, erbaut und ausgestattet von Dominikus Zimmermann, ist ein weiterer Höhepunkt der Barockstraße.

Als Kontrast: Die Klosterkirche des Zisterzienserinnenklosters Baindt:

Abendstimmung bei Renhardsweiler:

Et ben oui, j’admets que j’ai loupé la chocolaterie à Biberach. Mais: C’est pas trop loin, et la ville vaut bien une deuxième visite. ET: Aprés le retour, on a trouvé ça:

Die Qual der Wahl. ??

Zwiefalten

Jetzt wird’s nochmal barock. Und wie!

Die Oberschwäbische Barockstraße hate ich ja schon erwähnt. Dazu gehört, als einer ihrer Höhepunkte, Zwiefalten mit seiner großartigen Benediktinerabtei.

Die ursprüngliche romanische Kirche des 1089 gegründeten Klosters wurde 1739 abgebrochen und bis 1765 durch einen Neubau ersetzt: Es ist ein Fest für Barock-Fans, denn Baumeister Johann Michael Fischer schuf einen der größten Kirchenräume Deutschlands – und eines der beeindruckendsten barocken Gesamtkunstwerke.

Impressionné: Le Lapin Baroque.

Bad Buchau und der Federsee

Bad Buchau ist ein kleines Kurstädtchen mit Schloß und klassizistischer Kirche im Zentrum. 

Es liegt am Federsee, der Teil eines großen Sumpfgebietes ähnlich dem nicht weit entfernten Wurzacher Ried ist. Als Vogelschutzgebiet ist der See heute Europa-Reservat und UNESCO-Welterbe.

Vom Federseemuseum und dem Naturschutzzentrum am Ortsrand führt ein 1,4km langer Steg durch den Schilfgürtel zum offenen Wasser des Sees; ansonsten ist das streng geschützte Gebiet mit seinen zahlreichen seltenen Tier- und Pflanzenarten in weiten Abschnitten nicht zugänglich. Der Steg führt auch zu Aussichtsplattformen, was die mitlesenden Vogelbeobachter gerne als Reiseempfehlung verstehen dürfen.

Weil es heute nochmal fünf Grad kälter geworden ist (-11°) und der Ostwind hier in der flachen Uferzone ungebremst durchpfeifen kann und es auch gnadenlos macht, halte ich mich nur so lange auf, daß ich keine Finger durch Erfrierungen verliere (Handy-Photos gehen ja nur ohne Handschuhe…).

Der Federsee kommt jedenfalls mal auf die Liste für eine Tour im Sommer, wenn man die Schönheit der Landschaft etwas länger genießen kann und sich nicht wie Scott oder (besser) Amundsen fühlt.

Ravensburg

Von Weingarten sind es nur knapp vier Kilometer bis Ravensburg. Das würde ich normalerweise auch wandern – aber nicht bei diesen sibirischen äußeren Bedingungen… Auch wenn sich zum Nachmittag die Sonne durchsetzt: Es lebe die Sitzheizung!

Oberhalb der Stadt steht auf hohem Felsen die Veitsburg, bzw. die Vorburg derselben; der einzige Rest, der von dieser mittelalterlichen Burg übrig ist. 

Burgherren waren die Welfen, die im 11. Jh. die Stadt Ravenspurc gründeten und ja auch das nahe Kloster Weingarten unterhielten. Vom Burgfelsen hat man einen schönen Blick auf die Stadt mit ihren vielen Türmen.

Besonders prägnant ist der schlanke hohe Turm der Stadtbefestigung, der wegen seiner Form den Namen “Mehlsack” erhielt.

In der Altstadt, in deren Gassen am heutigen Samstag Markttag ist, …

…findet man auch das schön gemachte Spielemuseum von Ravensburger, mit Ausstellungsstücken aus der Firmengeschichte und natürlich ganz viel zum Spielen. In der Hall of Fame der Firma…

…darf natürlich auch das schöne “Fang den Hut” nict fehlen: Mit seinem unverkennbar vom Bauhaus inspirierten Design ist es ein seit 1927 produzierter Klassiker (den ich natürlich auch zu Hause im Schrank habe).

Die Altstadt hat aber noch weitere sehenswerte Ecken:

Obertor:

Rathaus:

Waaghaus (altes Kaufhaus und Stadtwaage):

Marktstraße:

Geht seinen Weg: Reisehase.

Weingarten

Weingarten ist zweifellos einer der Höhepunkte der Oberschwäbischen Barockstraße. Der Ort am Stadtrand von Ravensburg wird überragt von der Benediktinerabtei, dem reichsten und berühmtesten Kloster Oberschwabens. Die Klosterkirche gehört zu den größten Barockkirchen Süddeutschlands. 

Das Kloster besaß eine aus Mantua importierte (und natürlich ganz bestimmt total echte) Reliquie des Heiligen Blutes, was Weingarten auch zu einem wichtigen Wallfahrtsort machte. Der riesige barocke Neubau der Klosterkirche wurde in der erstaunlich kurzen Zeit von nur acht Jahren errichtet (1717-25). Grüße nach BERlin… ?

Das Innere ist vollendeter Barock, mit allerdings sehr schlichten Mittelschiffpfeilern. Prunkstücke der Ausstattung sind die große Gabler-Orgel (6.600 Pfeifen), die Kanzel, …

…die Deckenfresken von Cosmas Damian Asam…

…und die große Vierungskuppel.

Das Kloster gilt als Stammsitz der Welfen, die es zu ihrer Familiengrablege bestimmten. Das erkennt man spätestens in einem der Innenhöfe, wo eine Kopie des Braunschweiger Löwen steht. Das Original steht in der Welfenresidenz Braunschweig vor der Burg Dankwarderode.

Daß Weingarten eine durchaus reiche Abtei war, läßt sich aber nicht nur an der Architektur ablesen. Im Fruchtkasten zum Beispiel, einem hübschen Renaissancebau, lagerten in besten Zeiten etwa 1,1 Millionen Liter Wein. Das reicht ja mal für ein paar kalte Wintertage…

Wurzacher Ried

Ob es wirklich eine gute Idee ist, bei Minustemperaturen und eisigem Ostwind eine zwölf Kilometer lange Wanderung durch ein Moor zu machen?

Ja!!

Das Wurzacher Ried, eines der größten Hochmoore Mitteleuropas, ist nämlich auch an einem eiskalten Februartag von beeindruckender Schönheit.

Das Ried entstand, als sich nach der Eiszeit hier das Schmelzwasser der Gletscher sammelte und die sich bildenden Seen später teilweise verlandeten. Im 19. Jh. intensivierte man den Torfabbau, so daß wieder größere Wasserflächen entstanden, wie hier der Riedsee.

Informationen zum inzwischen eingestellten Torfabbau liefern zahlreiche Tafeln entlang des Weges, der auf Holzbohlen durch die feuchten Sümpfe führt. Und auch diverse Hilfsmittel sind ausgestellt.

Seit 2004 ist die gesamte Moorlandschaft unter Schutz gestellt.

Andere Teile des Ried sind trockenere Heidelandschaften, die mit Schnee und Eis ihren eigenen Reiz haben. Und bisweilen fühlt man sich fast in ein Bild von Bob Ross versetzt. Just brushing…

Vielleicht komme ich um des Kontrastes willen im Spätsommer nochmal. Dann ist das Ried mit Sicherheit farbenfroher. Fast ganz in Schwarz-Weiß ist die Landschaft aber ebenfalls grandios. Hier noch ein paar Impressionen aus dem Moor und von der Wanderung:

Très content: Lapin de la Tourbière.

Bad Waldsee

Bad Waldsee liegt am Ufer eines Sees, der wie heißt? Na? … Genau: Stadtsee.

Der Ort war seit dem 14. Jh. österreichisch, war aber an die Herren von Waldburg verpfändet, die sich durch die Jahrhunderte fast durchweg als üble Ausbeuter entpuppten. Mehrere blutig niedergeschlagene Aufstände waren die Folge.

Andererseits wurden in Bad Waldsee insgesamt 54 Frauen als Hexen verbrannt… Die in den Prozessen genutzte Folterkammer befindet sich im Rathaus, einem Bau mit schöner spätgotischer Fassade.

Und auch Bad Waldsee besitzt ein korrekt benanntes Gasthaus.

Ein Stadtteil von Bad Waldsee ist Durlesbach. Den geschätzt 40 Einwohner zählenden Flecken würde niemand kennen, gäbe es da nicht den 1911 errichteten Bahnhof.

Er war Haltepunkt an der schwäb’sche Eisenbahne und fand als solcher neben Stuttgart, Ulm und Biberach sowie Meckenbeuren Erwähnung im bekannten Lied. Dem dort besungenen Bauern und der wenig glücklichen Ziege ist in Durlesbach ein Denkmal errichtet worden.

Die Ziege ahnt schon, daß die Zugfahrt wohl kein gutes Ende nehmen wird. Trullala. Jetzt aber erstmal aufwärmen.

Biberach an der Riß

Ich starte in Biberach. Bei minus vier Grad und spürbarem Ostwind verspricht der Tag nicht allzu gemütlich zu werden. In der Stadt begrüßt man sich daher auch mit “S’isch scho bärig kalt”. Ha joh.

Der Stadtbesuch macht aber trotzdem Spaß, denn Biberach ist eine freundliche, angenehme und sehr hübsche Stadt. Vom Weißen Turm, einem Teil der Stadtbefestigung, blickt man über das mittelalterliche Zentrum.

Hier in Biberach ist übrigens Christoph Martin Wieland geboren, der Dichter, dessen Verserzählung “Oberon” wir ja ganz bestimmt alle gelesen haben.

Nicht? Echt nicht? Hm. ?

Im schon 1686 gegründeten Biberacher Theater, führte er jedenfalls erstmals in Deutschland Shakespeares “Der Sturm” in deutscher Sprache auf.

Zentrum der alten Reichsstadt ist der schöne Marktplatz mit seinen barocken Häusern und ein bißchen Fachwerk.

Biberach entwickelte dank der Textilherstellung einigen Wohlstand; im Weberviertel hat sich noch ein Ensemble alte Häuser erhalten. Die Stadtpfarrkirche ist eine Simultankirche, wird also von Katholiken und Protestanten gleichzeitig genutzt – und das schon seit 1548. Keine Selbstverständlichkeit.

Der Innenraum wird aktuell restauriert, aber einen Blick auf das Deckenfresko kann ich trotzdem werfen.

Trotz des sibirischen Wetters: Dem Reisehasen gefällt’s hier.

Edit (30.01.2019): Erratum.

Ich schrieb, Christoph Martin Wieland sei in Biberach geboren worden. Das stimmt aber gar nicht – er wurde 1733 im Pfarrhaus in Oberholzheim geboren (etwa 30 Kilometer nördlich von Biberach). Die Familie Wieland zog aber 1736 nach Biberach, weil Wielands Vater dort eine Stelle als Siechenprediger erhalten hatte.