Am Samstag war ich auf einer Geburtstagsfeier in Kappelrodeck. Die ist etwas ausgeufert (ich betone: etwas!), weshalb am Sonntag nur eine gemächliche Halbtagestour zustandekam. Es reichte aber immerhin noch für ein umfangreichen Einkauf diverser lokaler Kulinaria (Obst, Obstsaft, Wein, Marmelade, Likör) in Waldulm bei Kappelrodeck sowie für einen Rundgang durch Kehl.
Am Oberrhein war das Leben am Rhein über Jahrhunderte wegen der sumpfigen Uferregionen und der ständigen Hochwasser zu ungemütlich. Fast alle Siedlungen hielten auf beiden Seiten des Rheins einen gewissen Sicherheitsabstand. Zwischen Basel und Speyer liegen direkt am Rheinufer kaum größere Städte; eigentlich nur Straßburg und Kehl sowie die Festungsstadt Breisach.
Kehl gehört zu den Städten, die gerne mal etwas vorschnell, aber zu unrecht als “nicht hübsch” aussortiert werden und an denen man nur vorbeifährt. Die Innenstadt wurde mehrfach zerstört und besitzt daher heute tatsächlich recht wenig historische Bausubstanz. Aber das Zentrum ist trotzdem interessant: Im frühen 19. Jahrhundert verwirklichte hier der badische Städteplaner und Architekt Friedrich Weinbrenner nach dem Rückbau einer badischen Festung den Entwurf für eine neue Planstadt. Weinbrenner, nach dem der gleichnamige Baustil (ja, genau, der Weinbrenner-Stil) benannt ist, war auch als Baumeister für das heutige Karlsruher Stadtbild verantwortlich und entwarf dort zum Beispiel den Marktplatz und die klassizistische Platzbebauung. Und die Verwandtschaft beider Städte ist trotz starker Veränderungen durchaus noch erkennbar. In Kehl steht noch das sogenannte Weinbrenner-Haus.
Auf dem sehr geräumigen, baumbestandenen und dank mehrerer Cafés gemütlich wirkenden Marktplatz mit der Friedenskirche…
…steht auch das Denkmal mit der “Mutter Kinzig”, einer Bronzefigur, die ursprünglich die Kehler Rheinbrücke zierte und nach Sprengung derselben im deutsch-französischen Krieg ab 1870 mehrere Jahre im Rhein lag, ehe sie geborgen wurde.
Stark profitiert hat Kehl durch die Landesgartenschau 2004.
Im Zuge dessen entstand nicht nur der schöne Garten der zwei Ufer zwischen dem Rhein und einem Altarm des Flusses, sondern auch der 44m hohe Weißtannenturm.
Nach 210 Stufen genießt man das sanfte Schwanken des Turmes und, wenn man sich daran gewöhnt hat, den Blick über die Rheinebene von den Vogesen im Westen bis zum Schwarzwald im Osten. Direkt unterhalb liegen die Kehler Innenstadt, das Parkgelände und die beiden Rheinbrücken, die hinüber ins gelobte Land führen, so daß sich der Reisehase dort oben fühlt wie Moses auf dem Berg Nebo.
Mit dem Unterschied, daß der Reisehase im Gegensatz zu Moses auch ins gelobte Land kommt: Dafür sind die Rheinbrücken ja da.
Eine der Brücken ist die ebenfalls zur Landesgartenschau errichtete Passerelle des Deux Rives, eine Schrägseilbrücke, über die man zu Fuß von Kehl hinüber nach Straßburg kommt und oben in der Mitte der Brücke, zwölf Meter über den Fluß, auf Bänken sitzen und Fluß und Aussicht genießen kann.