Pöcking

Pöcking ist eine südlich an Starnberg angrenzende Gemeinde, mit 5.500 Einwohnern nicht übermäßig groß, aber dank der Lage am Hang oberhalb des Seeufers ein attraktiver Wohnort. Das Ortsbild wird von der Filialkirche St. Ulrich mit ihrem Turm mit hübscher Zwiebelhaube geprägt:

Es gibt hier größere Villenviertel, die immer auch Prominente anzogen. Leni Riefenstahl zum Beispiel, woran man sich in Pöcking aber vermutlich nicht so gerne erinnert. Auch Otto von Habsburg lebte hier. Dessen Villa in der Hindenburgstraße ist nicht öffentlich zugänglich und von der Straße aus auch nicht zu sehen. Aber es gibt ja auch noch andere prächtige Gebäude, vor allem im Ortsteil Possenhofen unten am See:

Schloß Possenhofen gehörte den Wittelsbachern, insbesondere Herzog Max Joseph in Bayern, der das Schloß 1834 kaufte und vor allem dafür bekannt ist, Vater zu sein – von Elisabeth Amalie Eugenie in Bayern, die 1854 einen gewissen Franz Joseph heiratete und anschließend als “Sisi” Kaiserin von Österreich und Königin von Ungarn war. Im Bahnhof Possenhofen, der 1864 hauptsächlich für den Adel und den herzoglichen Hofstaat gebaut worden war, ist heute das Kaiserin-Elisabeth-Museum untergebracht. Sisi steht in Bronze gegossen vor dem Gebäude.

Vom Schloß Possenhofen sind es nur ein paar Schritte bis zum Seeufer, und hier begegnen wir auch der “Starnberg” wieder. Der Katamaran wurde 2004 gebaut und nur vier Tage nach seiner Jungfernfahrt schwer beschädigt, weil er bei Schloß Berg die Ufermauer gerammt hatte. Inzwischen fährt die Starnberg aber weitgehend problemlos über den See.

Der Starnberger See bietet aber nicht nur Freunden der Monarchie oder der Schiffahrt etwas, sondern auch denjenigen, die etwas fürs Morbide übrig haben. Stichwort True Crime. Nicht nur, weil Ludwig II. ja unter bis heute ungeklärten Umständen bei Schloß Berg im See ertrunken ist. In Pöcking spielte sich nämlich einer der berühmtesten Kriminalfälle der Bundesrepublik ab: An Ostern 1960 wurden der Arzt Otto Praun und seine Haushälterin Elfriede Kloo ermordet. Einige Zeit später wurde eine Verdächtige verurteilt: Vera Brühne. Ob sie und der Mitangeklagte Johann Ferbach es wirklich waren, ist bis heute unklar. Klar ist nur, daß der Schuldspruch auf falschen Annahmen beruhte, zum Beispiel auf einem falschen Todeszeitpunkt. Für den später ermittelten echten Zeitpunkt hatte die Brühne, die sich andererseits auch nicht gerade unverdächtig verhielt, nämlich ein Alibi… Es war ein ziemlich verworrener Fall, der nie aufgeklärt wurde und in der BRD der frühen 60er Jahre ein enormes Aufsehen erregte. Weil die Brühne als sogenannte “Lebedame” nicht unbedingt in das konservative Frauenbild der Adenauerjahre paßte. Weil Dr. Praun vermutlich in Waffengeschäfte und Geheimdienstaktivitäten involviert war. Weil Brühnes Tochter ihre Mutter mit ihren Aussagen schwer belastete. Und weil anfangs üble Ermittlungsfehler gemacht wurden: Zunächst wurde ein Selbstmord attestiert, und erst nach einer Exhumierung stellte man fest, daß Praun zwei Kugeln im Kopf hatte… Dem SPIEGEL war der Fall noch 13 Jahre später eine Titelstory wert (Vera Brühne saß da, obwohl längst klar war, daß es ein Fehlurteil gewesen war, immer noch in Haft – sie kam erst 1979 frei), es gibt einiges an Literatur zum Thema, und natürlich wurde diese Geschichte auch verfilmt (als Zweiteiler mit Corinna Harfouch in der Titelrolle).

Der Fall hat mich ja immer schon interessiert. Meiner Meinung nach war es Vera Brühne nicht. Aber das wird sich wohl nicht mehr aufklären lassen. Das jedenfalls war die Villa in Pöcking, in der Heinrich-Knote-Straße:

2022 stand sie noch.

Inzwischen scheint das Haus aber entweder komplett umgebaut worden zu sein oder es wurde abgerissen und durch einen Neubau ersetzt.

Einen weiteren ungeklärten Mord gab es übrigens 1951 auch im benachbarten Straubing: Sonja Bletschacher, eine ehemalige Mitarbeiterin des Nachrichtendienstes beim Oberkommando der Wehrmacht, wurde in der Villa Adlon ermordet. Auch dieser Mordfall wurde nie aufgeklärt. Ein Bekannter der Bletschacher war ein gewisser Dr. Otto Praun.

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