So ein Pokalfinale ist immer ein großes Spiel, sogar für einen Spitzenverein wie den VfB Stuttgart. Für einen Club wie Arminia ist es das wohl größte Spiel in der bisherigen Vereinsgeschichte.

Natürlich können wir eigentlich nichts mehr verlieren. Als Drittligist im Endspiel stehen, watt willze mehr. Aber der Pokalsieg ist nun mal nur noch einen Schritt entfernt. Und dann: Pokalfeier, Europapokal, Champions League, Wir sind Papst, und so weiter. Man wird ja wohl noch träumen dürfen. Also von der Pokalfeier plus anschließendem Europapokal zumindest, der Rest wird erstmal schwierig.
Wobei… Europapokalspiele hatte die Arminia in den 80ern ja schon: Im Intertoto-Cup, einem Wettbewerb, der dazu diente, die spielfreie Zeit für die Toto-Gesellschaften zu überbrücken und für den sich die Arminia zwei- oder dreimal qualifiziert hatte, was der Alm Spiele gegen internationale Hochkaräter wie Beitar Jerusalem, Bryne IL oder Botew Wraza bescherte. Ein bestenfalls halbseriöser Wettbewerb, der in der Regel aufhörte, sobald die richtigen Ligen wieder in die Saison starteten, und dessen Bedeutung man daran ablesen kann, daß meistens nicht mal ein Sieger ermittelt wurde. Das ist, von Freundschaftsspielen abgesehen, im wesentlichen die internationale Geschichte der Arminia. Definitiv kein Traum aus Tausendundeiner Nacht.
Kein Traum ist leider auch der Einlaß zum Olympiastadion: Es gibt nur zwei Eingänge, durch die sämtliche 74.000 Zuschauer gepreßt werden müssen. Das dauert und dauert. Zum Glück sind wir gar nicht so früh am Stadion und brauchen etwa 45 Minuten in allerdings teils unangenehm dichtem Gedränge, um reinzukommen. Wir haben aber auch mit Leuten gesprochen, die schon eine Stunde früher da waren als wir und auch nicht viel früher an ihren Plätzen angekommen sind. Das hier ist kurz vor der letzten Barriere; den Hauptteil des Anstehens hatten wir da schon hinter uns gebracht.

Im Stadion habe ich gar nicht viele Bilder gemacht. Ich war zu sehr damit beschäftigt, die Atmosphäre aufzusaugen und dieses Pokalfinale zu genießen (und zu hoffen, daß ich nicht doch noch aufwache und alles nur ein Traum war, während wir in Wirklichkeit in der ersten Hauptrunde durch ein 0:3 in Unterhaching ausgeschieden sind). Aber so oft ich auch hinschaue: Das Arminia-Wappen hält sich stabil auf der Anzeigetafel. Gibt’s doch gar nicht.

Wir sitzen auf der Gegentribüne, etwa im Übergangsbereich zwischen Blau (Westkurve) und Rot (Ostkurve); Fantrennung ist hier nicht nötig, weil die Atmosphäre sehr friedlich ist, was überhaupt für diesen ganzen Pokaltag gilt, auch für die Fahrten in der S-Bahn und sogar für die Warteschlangen am Eingang. Von der Gegentribüne haben wir einen guten Blick aufs Spielfeld…

…und fast perfekte Sicht auf die beiden Choreographien in den Kurven.



Und später auf die unvermeidliche Pyrotechnik.

Ich glaube ja nicht, daß das wirklich sein muß. Ich glaube aber, daß ich zumindest mehr vom Spiel gesehen habe als die Stuttgarter Fans im Oberrang der Ostkurve, siehe oben. Aber da stand’s auch schon 3:0, und ich schätze mal, das war denen dort oben dann auch ziemlich egal, ob sie noch freie Sicht aufs Spielfeld haben.

In der zweiten Halbzeit jedenfalls bleibt es im Stadion tendenziell neblig.

Das Spiel. Tja. Den Spielverlauf muß ich nicht großartig nacherzählen. Die Stuttgarter brauchen genau von Spielminute 15 bis Spielminute 28, um zwei bis drei schlimme Abwehrfehler auszunutzen, auf 3:0 vorzulegen und klarzumachen, wer hier Bundesliga spielt und wer gerade erst aus der Dritten Liga aufgestiegen ist. Richtig spannend ist das Spiel danach nicht mehr, und irgendwann kurz vor der Halbzeit beschleicht mich das ungute Gefühl, daß das hier richtig übel peinlich werden kann, wenn die Stuttgarter weiter Ernst machen. Und die Bielefelder sagen sich seit der 12. Minute: Wenn Bazee trifft, läuft alles vielleicht anders.

Er trifft aber nicht. “Wenn Bazee trifft” mutiert dann auch direkt mal zum Internet-Meme.

(Quelle: Internet)
Während die Arminen auf den Rängen also noch gedanklich im Konjunktiv unterwegs sind, schalten die Stuttgarter auf dem Rasen spätestens nach dem 0:4 Mitte der Zweiten Halbzeit einen Gang zurück (ein fünftes Tor, das auch noch fällt, wird vom Videobeweis wieder storniert). Der ARD-Videotext schwadroniert zwar von “über weite Strecken überforderten Bielefeldern”, aber das ist dann auch wieder Humbug, auch angesichts 58% Ballbesitz und immerhin 15 Schüssen in Richtung Tor (Stuttgart: 14). Natürlich haben die Stuttgarter das Spiel lange Zeit im Griff, aber die letzte Viertelstunde mit den zwei Arminia-Toren bringt die Stuttgarter Abwehr doch nochmal ins Schwimmen und sorgt dann endgültig dafür, daß der Arminia-Block eskaliert, nachdem die Stimmung schon vorher trotz der aussichtslosen Lage nie wirklich am Boden war. Und ganz kurz ertappe ich mich sogar bei dem Gedanken, daß hier alles wieder möglich ist, wenn jetzt auch noch das 3:4 fällt. Dazu kommt es nicht mehr, aber zwei oder drei gute Chancen spielen die Blauen tatsächlich noch heraus, und auf jeden Fall klingt 2:4 schon deutlich besser als 0:4. Auf der Basis können wir, wie ich finde, erhobenen Hauptes den Rückweg antreten.

Aber das Wichtigste: Glückwunsch nach Stuttgart und viel Erfolg nächstes Jahr in Europa! Und danke, liebe Stuttgarter, daß wir gegen Euch spielen konnten und nicht gegen irgendeinen Mistverein oder gar dieses Ding, das Ihr zum Glück in Eurem Halbfinale noch rausgeworfen habt.

Der Pokal, den vor dem Spiel schon Jogi Löw und Fabian Klos hereingebracht haben, also eine Fußball-Legende und ein ehemaliger Bundestrainer (Zwinkersmiley!), wird dann noch unter Einsatz von viel Grünlicht verdientermaßen in Schwabenhände übergeben.

Ich habe es schon da nicht mehr geschafft, wirklich traurig zu sein, und ich glaube, den meisten Arminen ging es ähnlich. Die einen haben gelernt, im Regen zu tanzen, die anderen werden einfach nur naß. Wir Arminen tanzen an diesem Abend.