“Einmal im Leben” haben sie in Bielefeld (und in Berlin) plakatiert, und: “Gibt’s doch gar nicht: Bielefeld im Finale von Berlin”. Und weil das mit dem “Einmal im Leben” vielleicht, vermutlich, wahrscheinlich, gar nicht so falsch ist für einen Arminia-Fan, war für dieses Wochenende das Pflichtprogramm eindeutig: Berlin, Berlin, wir fahren nach Berlin!

Die erste Spielzeit, die ich mit dem DSC Arminia Bielefeld mitgefiebert habe, war die Saison 1978/79. Da war ich sechs und die Arminia gerade in die Bundesliga aufgestiegen. Am Ende der Saison sollten sie wieder absteigen. Im wesentlichen ging es seitdem genauso weiter. Daß der erste Einzug ins DFB-Pokal-Finale ausgerechnet in einer Drittliga-Saison gelingt, ein Jahr nach dem Beinahe-Abstieg in die Regionalliga: Gibt’s ja gar nicht!

Natürlich wäre ein Sieg als Drittligist gegen einen Bundesligisten eine riesige Überraschung. Natürlich kann man als Armine nicht ernsthaft auf ein Match auf Augenhöhe hoffen. Natürlich glaube ich nicht an den Pokalsieg, aber an einen Sieg gegen Leverkusen im Halbfinale habe ich auch nicht geglaubt. Und Überraschungen gibt’s ja häufiger mal. Zum Beispiel schon am Freitag auf der Anreise: Der ICE fährt pünktlich los! 😉 (und, vorweggenommen, der ICE Berlin-Mannheim auf der Rückfahrt ist auch auf die Minute pünktlich!). Ei guck, die Bahn.

Ok, auf der Hinfahrt sammelt der ICE bis Berlin zwar doch noch 20 Minuten Verspätung ein, aber das ist nicht wirklich schlimm. Vom Ostbahnhof ist es ja nicht mehr weit bis Karlshorst, wo der Reisehase Quartier nehmen darf. Und beim Halt am Hauptbahnhof kann ich für diesen netten Blick einfach auf meinem reservierten Platz sitzenbleiben.

Am Samstag gibt es Fanfeste in der Stadt; die Stuttgarter stimmen sich am Breitscheidplatz ein, die Arminen am Alexanderplatz. Berichten kann ich nur von letzterem, auf dem sich laut Polizei etwa 15.000 Bielefelder einfinden.


Eine Bühne ist neben dem Brunnen der Völkerfreundschaft aufgebaut. Dort ist am meisten los, aber auch ein Stück weiter an der Weltzeituhr ist der Platz mehr als nur gut gefüllt.



Die Presse schreibt später, es seien insgesamt etwa 100.000 Bielefelder in der Stadt gewesen. Kann ich nicht beurteilen, aber so ganz falsch kann das nicht gewesen sein, auch wenn natürlich nicht mal die Hälfte davon Karten fürs Stadion bekommen haben kann.

Irgendwo in der S-Bahn höre ich jemand angesichts der ganzen Leute, die hier in Schwarz-Weiß-Blau herumrennen, sagen: “Sag mal, wie viele Einwohner hat Bielefeld eigentlich?”

Mancher hat für den heutigen Tag andere Pläne. Ob der Alexanderplatz dafür allerdings an diesem Samstagmorgen der richtige Ort ist, würde ich bezweifeln. Die beiden ertragen das schwarz-weiß-blaue Meer um sie herum allerdings mit einem stoischen Lächeln.

Und immer dabei: Ein kleiner Reisehase, der nicht vergessen hat, daß die Zeiten als Arminia-Fan auch schon weniger Glitzer boten. Da gab es Niederlagen beim TSV Havelse in der Aufstiegsrunde zur 2. Bundesliga oder bei der SpVgg Beckum in der Oberliga Westfalen. Es gab Spiele, bei denen die Arminia-Spieler Einwürfe direkt ins Seitenaus geworfen haben. Es gab Spieler im Kader, die in Österreich mal eine Fußball-Castingshow gewonnen hatten (und dann erstaunlicherweise doch keine große Karriere machten, denn von Drazen Savic hat man nie wieder etwas gehört). Es gab Spiele auf der Alm wie zum Beispiel an einem verregneten Herbstabend 2016 eine 0:1-Heimpleite auf niedrigstem spielerischen Niveau. Gegen die Würzburger Kickers. Im Tabellenkeller der 2. Bundesliga. Da fällt selbst dem leidgeprüftesten Arminia-Hasen das Lächeln schwer.

So viel Absinth, um mir ein Pokalfinale mit Bielefelder Beteiligung herbeizuphantasieren, hätte ich in solchen Zeiten gar nicht trinken können. Und weil das natürlich nicht nur mir so geht, sondern allen, die ihr Herz an diesen seltsamen, bescheuerten, großartigen Verein verloren haben, ist heute bei allen Bielefeldern der feste Wille zu spüren, diesen Tag voll auszukosten. Wer weiß, wann es für uns wieder so etwas zu feiern gibt. Das nächste DFB-Pokalfinale ist wohl noch weit, und wir werden uns wieder über den Sieg im Landespokal Westfalen oder den Klassenerhalt in der Zweiten Liga freuen müssen. Und freuen.

Heute aber ist Pokalfinale. Auf der Bühne neben dem Brunnen der Völkerfreundschaft am Alexanderplatz sind Konzerte und kurze Vorträge (“Von Bielefeld ins Pokalfinale in 120 Jahren”), auch von 11Freunde-Chefredakteur Philipp Köster, der ja bekennender Armine ist und nicht nur in der Vergangenheit stochert, sondern sichtlich begeistert die Meldung vorzeigt über einen ICE, der am Donnerstag von Stuttgart aus wohl in die falsche Richtung losgefahren ist. Keine Ahnung, ob der Zug noch die Kurve bekommen hat (vermutlich schon) oder ob die Fahrgäste sich in Budapest oder Mailand eine Kneipe mit Fernseher suchen mußten.

Die Stimmung auf dem Fest jedenfalls ist prächtig, und alles ist friedlich, und das gilt wunderbarerweise für diesen ganzen Pokaltag.



Das Bielefelder Stadtmarketing hat als flankierende Maßnahme in Berlin die eine oder andere Plakatwand angemietet. Dafür haben sie immer einen guten Spruch parat, wie diesen hier, den die meisten sogar verstehen. Aber es gibt natürlich immer ein paar humor- und ahnungslose Zeitgenossen, die noch nie was von der Bielefeld-Verschwörung gehört haben und im Internet über die “Provokation” meckern.

Dabei sollte doch klar sein, daß das nicht so ganz ernst gemeint ist. Wobei… Man weiß es nicht. Man wird ja wohl noch träumen dürfen.
