Von Tiefencastel im Norden, das auch Startpunkt des Albulapasses ist, bis nach Silvaplana im Süden verläuft der Julierpaß, eine der historisch gesehen wichtigsten Alpenüberquerungen. Die Paßhöhe liegt auf 2284m. Die Nordrampe ist deutlich länger (36km) als die Südrampe (7km) und überwindet auch deutlich mehr Höhenmeter (1433 gegen 469). Aber genug der Zahlen. Hier ein Bild von der Paßhöhe:
Als ich noch klein war, gehörte das Befahren von Alpenpässen nicht gerade zu meinen Lieblingsbeschäftigungen. Um es vorsichtig zu formulieren. Mir wurde nämlich im Auto regelmäßig übel, und so kam es, daß in den Alpen auf den diversen Paßhöhen nur noch ein wimmerndes Etwas mit grünem Gesicht von der Rückbank glitschte. Die Wende kam, glaube ich, am Jaufenpaß in Südtirol, den ich überraschenderweise gut überstand. Danach war’s besser. Das war aber ein paar Jahre, nachdem wir den Julierpaß gefahren sind, an den ich noch verschwommene, aber eher ungute Erinnerungen habe. Heute macht mir das alles nichts mehr aus, im Gegenteil: Die ganzen Paßstraßen in den französischen Alpen, den Pyrenäen und im Zentralmassiv waren mir ein großes Vergnügen. Vor allem, weil hinten kein Neunjähriger sitzt, von dem man in jeder Kurve Angst haben muß, daß er in den Fußraum kotzt.
Um von diesem unerfreulichen Verhalten abzulenken, erzähle ich jetzt, daß auf der Paßhöhe etwas dezent am Straßenrand noch zwei römische Säulen stehen. Sie zeugen davon, daß der Julierpaß schon zur Römerzeit eine vielgenutzte Alpenüberquerung war. Hier ist eine der Säulen:
Die Julier-Straße ist eine sehr gut ausgebaute, breite Strecke und mit dem Auto überhaupt kein Problem. Die Albulastraße ist deutlich ruppiger. Kommt man von Süden, ist der Julier ohnehin nicht allzu schwierig: Der Startort Silvaplana liegt selbst schon auf etwa 1800 Metern Höhe, und die Paßhöhe des Julier ist daher schnell erreicht. Hier hat man einen schönen Blick auf den 3380m hohen Piz Julier (Piz Güglia). Oben angekommen, treffe ich gleich mal einen Saarländer. Ja, wir sind viele, und wir sind überall! 😉 Grüße gehen hiermit an Klaus aus Elversberg!
An der Paßhöhe hat man diesen Turm aufgestellt. Er heißt Juliertheater und ist tatsächlich für Theateraufführungen gedacht, allerdings nur als temporärer Bau. 2017 eröffnet, sollte der Turm 2020 wieder demontiert werden. Man hat dann aber bis 2023 verlängert. Noch steht der Turm; mal schauen, was damit passieren wird.
Die Nordseite des Julier ist deutlich länger als die kurze Südrampe, aber auch sehr gut befahrbar. Breite Straße, einige Kurven, aber eigentlich kann ich meine Tschechin einfach nur rollen lassen. Ein Haltepunkt ist der Lai da Marmorera, ein großer Stausee, der 1954 geflutet wurde und für den ein 90 Meter hoher Damm aufgeschüttet wurde. Der alte Ort Marmorera liegt nun am Grund des Sees. Weiter oberhalb am Hang wurde der Ort neu aufgebaut.
Noch weiter im Tal liegt die 2016 gebildete Großgemeinde Surses, die ihren Namen von dem Talabschnitt erhielt. Zur Gemeinde gehören zahlreiche kleinere Orte, zum Beispiel Tinizong, was tatsächlich ein Ortsname ist, auch wenn es sich eher wie eine Figur aus “Per Anhalter durch die Galaxis” anhört.
Hauptort von Surses ist Savognin, ein Dorf mit 1.000 Einwohnern, das aus mehreren kleineren Ortskernen zusammengewachsen ist.
Der Ort liegt an der Julia, einem Fluß, der bei Tiefencastel in die Albula mündet und natürlich sehr hübsch ist. Wer käme auch auf die Idee, einen häßlichen Fluß ausgerechnet Julia zu nennen? 😉
Sehenswert ist vor allem die alte Brücke über die Julia. Es ist eine Steinbrücke, die Punt Crap heißt, was übersetzt, ja genau, Steinbrücke bedeutet (crap = Stein).
Noch ein Bauwerk führt über die Julia: Eine Pipeline. Aber nicht für Öl oder Gas, sondern für Milch, die per Rohrleitung von den Almen zur Käserei in Savognin geleitet wird.
Und hier noch ein Blick auf die Julierstraße kurz vor Tiefencastel.